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Der dritte Teil von »The American West«-Trilogy (die beiden anderen Teile sind »Nome Road System« und »Milltown, Montana« (VdR 2010)) ist das ergreifende, vielschichtige Porträt der Landschaften der Mojave-Wüste und des dortigen Lebens. Der Film mit seiner lockeren, dem sparsamen Fingerpicking eines John Fahey nicht unähnlichen Struktur, die an einen skelettartigen, zeitlosen Blues erinnert, beobachtet, wie sich das Leben innerhalb und außerhalb der Textur eines von der neoliberalen Ideologie großräumig umfahrenen amerikanischen Lebens entfaltet. Die Stimme des Dichters und Häftlings Stanley »Spoon« Jackson, der 1977 eine lebenslange Haftstrafe ohne die Möglichkeit einer vorzeitigen Entlassung antrat und seitdem in über einem halben Dutzend kalifornischer Gefängnisse einsaß, liest Ausschnitte aus seiner Autobiografie »By Heart«, während im Zwischenschnitt Bilder einer in reiner amerikanischer Mythologie getränkten Welt erscheinen, die in der brutalen Realität der rücksichtslosen Finanzpolitik untergeht. »Barstow, California« ist wahrlich die andere Seite des amerikanischen Traums. Giona A. Nazzaro (Visions du Réel – Nyon)
CAST
Stanley „Spoon“ Jackson
und
Bushawn Carpenter
Jennifer M. Garrison, Ph.D.
Abraham Jackson
Robert Jackson
Robert Jackson Jr.
Laura L. Quiroz
Frankie Saiz
Nicholas Webster
CREW
Regie: Rainer Komers
Kamera: Rainer Komers
Montage & Co-Autor: Gregor Bartsch
Ton: Michel Klöfkorn
Produktion: Rainer Komers, Mathias Krämer, Kurt Otterbacher
Grading: Timm Kröger
Produktion: kOMERS.film, strandfilm
Gefördert von: Film und Medien Stiftung NRW, Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein, Hessen Film und Medien, medienboard BerlinBrandenburg
Rainer Komers
Geboren 1944 in Guben. Filmstudium an der Kunstakademie Düsseldorf, Meisterschüler. Filmprojekte in Alaska, Indien, Japan, Jemen, Kalifornien, Lettland und Montana. »Barstow, California« wurde mit dem ARTE-Dokumentarfilmpreis 2018 ausgezeichnet, »Nome Road System« mit dem Deutschen Kurzfilmpreis 2004, »B 224« mit dem Hessischen Filmpreis 2001, »Zigeuner in Duisburg« mit dem Preis der Deutschen Filmkritik 1980. Ruhrpreis für Kunst und Wissenschaft 2006.
Goethe-Stipendium Villa Kamogawa, Kyoto (2015). Werkschau/Retrospektive: Videonale.scope#2/Köln (2014), .aparat._04/Iaşi, Rumänien (2015), Filmclub im Sputnik-Kino/Berlin (2018), Int. Kurzfilmtage Oberhausen (2022), GEGENkino Leipzig (2024). Festival-Screenings in 35 Ländern; Preise in Kanada, Frankreich, Polen und USA. Regie, Kamera, Word Art, Gedicht. Lebt in Berlin und Mülheim an der Ruhr.
Filme (Auswahl)
2022 Miyama, Kyoto Prefecture – 97 min
2018 Barstow, California – 76 min
2017 Kursmeldungen – 30 min
2015 Daugava Delta – 21 min
2014 Ruhr Record – 45 min
2012 25572 Büttel – 5 min
2007 Ma’rib – 30 min
2006 Kobe – 45 min
2004 Nome Road System – 26 min
2004 NH 2 – 52 min
1999 B 224 – 23 min
1997 Ein Schloß für alle – 44 min
1995 Ofen aus – 75 min
1992 Lettischer Sommer – 87 min
1989 Erinnerung an Rheinhausen – 69 min
1985 Die Sterne der Heimat – 12 min
1982 480 Tonnen bis Viertel vor zehn – 45 min
1980 Zigeuner in Duisburg – 37 min
1976 2211 Büttel – 44 min
Mit dem Straßen-Film B 224 habe ich 1999 eine Reihe von kurzen und mittellangen Filmen begonnen, die Leben und Alltag an einem Ort und in einer Landschaft mittels einer Collage von Schauplätzen darstellen. Die Arbeiten, die ich in Indien, Japan, Jemen, Lettland und den USA gemacht habe, verzichten auf Voice-Over, Dialoge und Musik und komponieren stattdessen nach Art der musique concrète die in den Szenen erzeugten Geräusche, ohne sie zu manipulieren oder zu verfremden. Über die Kameraarbeit in Daugava Delta (2014) heißt es im Programm des Wiener Filmfestivals Viennale:
Komers ist der postmoderne »Mann mit der Kamera«, dessen anonyme Protagonisten sich zuvörderst über Bewegung mitteilen. Seine Sympathie gilt dem kollektiven Helden, sprich: dem Ort selbst.
Mit dem Film Barstow, California habe ich erstmals versucht, die audiovisuelle Darstellung einer Landschaft (Mojave Wüste) und eines Ortes (Barstow) mit Elementen der Lebensgeschichte eines Protagonisten (Spoon Jackson) zu verbinden – Life & Landscape. Schon der Schriftsteller Alfred Döblin hatte in seinem Roman Berlin Alexanderplatz (1927) seinem männlichen Protagonisten einen Ort in Berlin als ‚Co-Protagonisten’ zur Seite gestellt und nur auf Verlangen des Verlegers Samuel Fischer den Untertitel Die Geschichte des Franz Biberkopf hinzugefügt. Mit den Protagonisten Spoon Jackson in Barstow wird eine Figur aus dem anonymen Kollektiv individualisiert und in Korrespondenz mit ihrer Umgebung gebracht.
In Barstow geboren und aufgewachsen ist der afro-amerikanische Schriftsteller Spoon Jackson. 1978 hat er mit 19 Jahren bei einem häuslichen Streit eine weiße Frau getötet und wurde zu einer lebenslänglichen Strafe „without possibility of parole“ (LWOP) verurteilt. In Kalifornien wurde bisher kein Gefangener mit einem solchen Strafmaß vorzeitig entlassen oder begnadigt. Während seiner Zeit in San Quentin hat Jackson einen Poetik-Kurs besucht und schreibt seitdem Gedichte, die in den USA und in Deutschland veröffentlicht werden. Er hat an Dokumentarfilmen mitgewirkt, ist als Schauspieler in Becketts „Warten auf Godot“ aufgetreten und hat zusammen mit seiner Poetik-Lehrerin Judith Tannenbaum die Autobiografie „By Heart“ geschrieben, in der er seine Kinder- und Jugendjahre schildert.
Am Anfang meiner Beschäftigung mit Spoon, gab es eine Stimme, vergleichbar der Stimme eines Amiri Baraka oder Chuck D, mit der ein Mann – den wir im Kurzfilm des schwedischen Filmemachers Michel Wenzer „Three Poems by Spoon Jackson“ nur hören, nicht sehen können – über eine kratzige Leitung aus dem kalifornischen Hochsicherheitsgefängnis New Folsom seine rauen Verse in den 5 500 Meilen entfernten Telefonhörer von Michel skandiert:
Heart of the High Desert
Stretched out here on this bunk
my mind drifts and dreams
within itself
searching for a poem
Ocean winds,
gentle breezes
find their way through the bars.
Through the bars
a sparrow sings
and it’s mellifluous melody
is all about love
(…)
Die feste, vorantreibende Stimme von Spoon, die das Gedicht „Heart of the High Desert“ spricht, hatte mich sofort gefangen genommen, und am 7. März 2008 schrieb ich ihrem Besitzer nach New Folsom einen ersten Brief:
I am a filmmaker and I saw at the Oberhausen Short Film Festival in Germany the film you made together with Michel Wenzer. I am very touched by the passion and quality of your poetry! (…) I hope and wish that you have to recite your poems not any longer over a crackling phone line from a California prison but face to face to your audience – now!
PRESSE
Landschaft oder Knast
Duisburgs Dokumentarfilmwoche diskutiert eine Spurensuche in »Barstow, California«.
Stanley Russell Jackson, genannt Spoon Jackson, ist seit 1977 inhaftiert. Ohne die Aussicht auf vorzeitige Entlassung hat er inzwischen das kalifornische Gefängnissystem ausführlich kennengelernt, vom berüchtigten San Quentin bis zum Lancaster State Prison in Los Angeles County. Er war 19 Jahre alt, als er einen Menschen tötete. Den Prozess erlebte er als undurchdringliches Sprachgeschehen: »I would not let unknown words trap me.« Im Gefängnis wurde Spoon Jackson zu einem Dichter und Aktivisten, inzwischen verfolgen Menschen weltweit, was er über sich und Amerika zu sagen hat.
Am vergangenen Dienstag sollte es im Kino »Filmforum Duisburg« eine Skype-Schaltung nach Kalifornien geben, die dann aber nicht klappte. Stattdessen war wenig später die Stimme von Spoon Jackson von der Leinwand herunter zu hören. Der Film Barstow, California von Rainer Komers ist ein Porträt der Kleinstadt am westlichen Rand der Mojave-Wüste, aus der Jackson stammt. Einige seiner Verwandten leben noch hier, die US Army unterhält in der Gegend ein Trainingscamp, ansonsten sind es vor allem ein paar Fernverkehrsstraßen, die hier kreuzen und das Stadtbild prägen. Rainer Komers findet einen prototypischen amerikanischen Mikrokosmos, mit schrägen Individualisten, die zum Teil von weither gekommen sind, mit Waffennarren‚ die endlich einmal den Rückstoß eines echten Maschinengewehrs spüren wollen, aber auch mit engagierten Verfechtern der bürgerlichen Rechte und Freiheiten. Vor allem aber findet er eine höchst fotogene Landschaft, die an vielen Stellen schon zu einer Erinnerungslandschaft wird: Die Pioniertaten, von denen Amerika immer noch träumt, erreicht man hier auf den Schienen einer alten Eisenbahn, die nur noch für Touristen fährt.
Auch für Spoon Jackson, der mit seiner Stimme aus dem Off dem Film die Partitur vorgibt, ist Barstow eine Erinnerungslandschaft. Und so fügt ein Besucher aus Deutschland hier ein bedeutsames Stück (kritischer) amerikanischer Mythologie zusammen, das am Sonntag bei der Preisvergabe zur Dokumentarfilmwoche Duisburg zu Recht mit dem von Arte gestifteten Hauptpreis ausgezeichnet wurde. Bert Rebhandl (FAZ – 14.11. 2018)
Barstow, California
Eine kalifornische Kleinstadt in der Mojave-Wüste. Rainer Komers filmt die Menschen, die Landschaft, die Züge. Dazu erzählt der schwarze Schriftsteller Spoon Jackson, der hier aufwuchs und seit 1978 eine lebenslange Haftstrafe verbüßt, von einem Leben voller Gewalt und Gemeinschaftsgeist. Großartiges, vielschichtiges Porträt eines ewigen Ortes, einer vergangenen Zeit und einer verlorenen, aber zähen
Gesellschaft. Philipp Stadelmaier, Süddeutsche Zeitung
Der Hölle so nah
Widerspenstige Agaven, rotbraune Felsen, die staubige Weite der kalifornischen Wüste. Hier, in der verlassenen Kleinstadt Barstow, ist Stanley „Spoon“ Jackson geboren und aufgewachsen. Bis eines Abends bei einer häuslichen Auseinandersetzung ein Menschums Leben kommt. In einem fragwürdigen Gerichtsverfahren wird der damals 19- jährige Afro-Amerikaner zu lebenslanger Haft verurteilt, ohne Aussicht auf Begnadigung. Seitdem zieht Jackson von Gefängnis zu Gefängnis, seit 41 Jahren schon. Trost und Halt findet er in seinen Gedichten. In „Barstow California“ gibt der deutsche Filmemacher Rainer Komers dem Gefangenen eine Stimme und erzählt collagenhaft von dessen Vergangenheit – eine Geschichte von Armut und Rassismus, Einsamkeit und Hoffnung. Ein hochpolitisches, poetisch-biografisches Werk, irgendwo zwischen Dokumentarfilm und bildender Kunst. Süddeutsche Zeitung
FESTIVALS & AWARDS
2018
Visions du Réel, Nyon / Switzerland (World Premiere)
https://www.visionsdureel.ch/de/2018/film/barstow-california
Viennale – Vienna International Film Festival
https://www.viennale.at/de/film/barstow-california
Duisburger Filmwoche / Germany (Deutsche Premiere – ARTE-Dokumentarfilmpreis)
https://www.duisburger-filmwoche.de/festival18/programm_181106.html
»Meine Haut fühlt sich warm und lebendig an, diesen September in San Quentin. Als wäre ich eine Eidechse, die sich auf einem großen Stein sonnt.« Das sagt die Stimme des Dichters und Häftlings Spoon Jackson, während wir auf Landschaftsbilder der sonnendurchtränkten Mojave-Wüste in Kalifornien schauen.
Der Film Barstow, California (der Geburtsort von Spoon Jackson) ist sowohl ein ergreifendes Portrait der kalifornischen Wüste und des in ihr eingeschriebenen Lebens als auch eine Begegnung mit Jackson, der seit 1977 in zahlreichen Gefängnissen in lebenslanger Haftstrafe einsitzt. Komers lässt Jackson Passagen aus dessen Autobiographie verlesen, die wir im Off hören, ohne ihn selbst je ins Bild zu bringen. Stattdessen sehen wir eine virtuose und überraschende Kollage von kinematographisch eindrucksvollen Landschaftsbildern der Gegend, in der Jackson seine kurze Kindheit und Jugend verbrachte. Diese wird uns mitunter vorgestellt von zwei der 14 Brüder Jacksons, die in Freiheit leben und Auskunft geben über eine Familiengeschichte, die geprägt ist von Armut, Gewalt, Einsamkeit und Rassismus. All das wird verhandelt, ohne je ins Zentrum gerückt zu werden: So entsteht ein Bild von Spoon Jackson aus kleinen und kleinsten Teilen, die nie zu eindeutig, nie zu klar, nie zu einfach sich zueinander fügen und gerade darin den Mensch wie den Ort zum Schillern bringen. Herzlichen Glückwunsch Rainer Komers! 10.11.2018 – Begründung der Jury: Alejandro Bachmann, Pepe Danquart, Antje Ehmann
Kasseler Dokfest
https://www.kasselerdokfest.de/online-programm/2018-11-16/p-ff732558-65c9-f74b-90f0-9d31f367b4a8/i-e9a53901-d052-40ba-8c0b-a9cbdadb010d
blicke – filmfestival des ruhrgebiets
https://blicke.org/filme/barstow-california
Unwirtliche Lebensbedingungen: Trockenvegetation, Hitzeflimmern, Wüstenstaub – hier halten die Güterzüge schon lange nicht mehr. Ein Landstrich als Projektions- und Resonanzraum für seine Bewohner wie für uns als Zuschauer; und für die stimmliche Präsenz eines Abwesenden, eines Weggesperrten. Die sprachlichen Bilder dieses Dichters verklingen nicht an den Topographien als bloße Illustrationen, sie überlagern sie, stoßen sich von ihnen ab, nur um wieder zu ihnen zurückzufinden; sie berichten von besseren Zeiten, von verlorener Unschuld, von Armut und rassistischer Unterdrückung. Rainer Komers’ Engagement für die Anerkennung des inhaftierten afroamerikanischen Lyrikers Spoon Jackson hat uns inspiriert und tief berührt. Wir möchten Barstow, California deshalb lobend erwähnen. Preisjury (blicke -filmfestival des ruhrgebiets)
2019
Big Sky Documentary Film Festival / USA
http://www.bigskyfilmfest.org/festival/films-2019-peak/barstow_california
Lichter Filmfest, Frankfurt
https://lichter-filmfest.de/programm/filmprogramm-2019/barstow-california/
Dokumentarfilmwoche Hamburg
https://dokfilmwoche.com/de/project/barstow-california/
Achtung Berlin(Preis: »Bester Dokumentarfilm«)
https://achtungberlin.de/wettbewerb/dokumentarfilm-2/barstow-california/
Der Film beginnt im Schwarz. Wir hören eine schwere Tür zufallen, ein Schlüssel dreht sich im Schloss. Eingeschlossen, weggesperrt. Barstow, California nimmt uns mit in die Welt von Stanley »Spoon« Jackson, der uns im Off aus seiner Autobiographie »By Heart« vorliest, geschrieben im Gefängnis, in dem er seit seinem 19. Lebensjahr einsitzt, ohne Aussicht auf Entlassung. Und dann das erste Bild: Endlose Weite. Die kalifornische Mojave-Wüste, Stanley Jacksons Heimat. Wir sehen ein anderes Amerika, als das der unbegrenzten Möglichkeiten. Die Menschen, denen Regisseur Rainer Komers begegnet, erzählen Geschichten, die mit Alltag und Gewalt, mit Gemeinschaft und Gesellschaft zu tun haben. Hier endet die Route 66 am Horizont. Wir treffen eine Frau, die in einem Motel am Highway arbeitet und davon träumt wegzuziehen, einen Mann, der in seinem Auto lebt, und die Chefin einer Bar, in der es weniger Gäste als Fotos verstorbener Stammkund*innen gibt. Sie alle sind genauso gefangen wie »Spoon«.
Barstow, California ist ein Film, der sich einer eindeutigen Interpretation entzieht und uns doch gekonnt und bewusst führt. Er hat uns eingenommen durch seine sensible Kameraführung, seine kluge Montage, die Menschen und Orte in narrative Zusammenhänge bringt, und durch seine tiefe Menschenliebe. Begründung der Jury Dokumentarfilm – Carlotta Knittel, Tobias Büchner, Verena Neumann
San Francisco DocFest
https://sfindie.com/festivals/sf-docfest/
Visible Evidence Conference XXVI, University of Southern California, Los Angeles
https://www.visibleevidence.org/wp-content/uploads/2019/07/VE_Program-Digital.pdf
Zeise Kinos, Hamburg
https://www.zeise.de/film/2079
Festival International Jean Rouch, Musée de l’Homme, Paris
http://www.comitedufilmethnographique.com/
ZDF/3sat
https://www.3sat.de/film/dokumentarfilmzeit/barstow-california-100.html
2020
Cinémathèque du documentaire à la Bpi, Centre Pompidou, Paris
https://cinemathequedudocumentairebpi.fr/