972 Breakdowns – Auf dem Landweg nach New York

Regie: Daniel von Rüdiger / 110 min. / 2020 / Deutsch, Englisch, Russisch, (UT: Deutsch) / Deutschland

Der Reisefilm begleitet fünf Freunde bei ihrer Motorradtour nach New York, die allerdings nur in Momenten aus tatsächlicher Bewegung besteht, sondern – wie der Titel schon andeutet – vor allem aus Reparaturen der Motorräder.

Regie: Daniel von Rüdiger
Schnitt: Daniel von Rüdiger & leavinghomefunktion

Im September 2014 starten wir, eine Gruppe junger Künstler in Halle/Saale auf eine Expedition Richtung Osten. Wir, Elisabeth, Efy, Kaupo, Anne, und Johannes, tauschten Haarbürste gegen Schraubenschlüssel, Haus gegen Zeltplane, Herd gegen Lagerfeuer. Auf 4 alten russischen Beiwagen-Motorrädern machten wir uns auf den Weg Richtung New York – stets auf der Suche nach dem Punkt, wo es nicht mehr weiter geht.

Keiner von uns hatte bis vor kurzem Ahnung von Motorrädern. Nach dem Abschluss unseres Kunststudiums haben wir den Motorradführerschein gemacht und unsere Ateliers direkt in den Seitenwagen gepackt. So konnte die Fahrt in die große, weite Welt beginnen, um diese endlich mit eigenen Augen zu sehen.

Verfolgt man unsere Reise auf der Karte, schlängelt sich die rote Linie der Reiseroute von Deutschland Richtung Balkan über Georgien nach Kasachstan weiter in die Mongolei und noch weiter bis in die entlegensten Winkel des fernen Ostens. Dort verlässt die rote Linie den Verlauf der Straße und folgt einem der größten Flüsse Russlands, dem Kolyma, nach Norden, durchquert baumlose Tundra bevor sie über die 80km breite Meerenge der Beringstrasse von Russland nach Alaska führt.

Ab Alaska windet sich die Route für tausende Kilometer durch den nordamerikanischen Kontinent, um schließlich in New York zu enden.

Mit einer gehörigen Portion Naivität erkundeten wir, was es heißt endlose Wellblechpisten in der Mongolischen Steppe zu bewältigen, was es bedeutet, wenn in der Wildnis Kanadas kein Krankenhaus in der Nähe ist oder wenn im Norden Russlands Straßen überfluten und Brücken zur Rarität werden. Eine folgenschwere Entscheidung für eine Abkürzung brachte uns ans Ende der Kräfte und nur mit viel Glück und der Hilfe vieler Menschen gelang die Weiterfahrt.

Irgendwann hörten alle Strassen auf und Helme wurden gegen Schwimmwesten eingetauscht. Nach langem Tüfteln wurden die Motorräder umfunktioniert und waren in der Lage 1600 km auf dem Kolyma Fluss im fernen Osten Russlands bis in den arktischen Ozean zu schwimmen.

Die klapprigen Beiwagen-Motorräder, gefertigt in der ehemaligen Sowjetunion, bestimmten den Takt unserer Reise. Die ständigen Pannen ließen das Vorhaben zunächst aussichtslos erscheinen. Das Scheitern als fast unausweichliches Resultat der eigenen Aktion zu akzeptieren, war die Herausforderung. Trotzdem Tag für Tag erneut aufzubrechen, um mit Erstaunen zu entdecken, dass gerade die Pannen es waren, die als Schlüssel zur Kontaktaufnahme dienten und unzählige Einblicke in Küchen, Wohnzimmer, aber vor allem in die Werkstätten der einheimischen Bevölkerung erlaubten.

Nur Dank der Hilfe aller Leute, die wir unterwegs getroffen haben, konnten wir nach 43 000 Kilometern am 10.01.2017 um 15:04 ihr Ziel New York City erreichen.

CAST
leavinghomefunktion (Anne Knödler, Efy Zeniou, Elisabeth Oertel, Johannes Fötsch, Kaupo Holmberg)

CREW
Regie: Daniel von Rüdiger
Schnitt: Daniel von Rüdiger & leavinghomefunktion
Musik: 0101
Digital Colourist: Thomas Herget
Sound Design: Clemens Becker
Musikmischung: Reinhard Gross und Willy Löster
Visuelle Effekte: Felix Brokbals
Grafik-Design: T’n’T
Sprachregie: Philipp Nawka
Sprachcoaching: Alexis Krüger
Übersetzung & Untertitel in Zusammenarbeit mit: Elena Poddubnaja, Emma Louise Charalambous, Mikhail Piskunow, Ute Rittner
Produziert von: leavinghomeproduktion

Daniel von Rüdiger (Regie)
1983 Rosenheim, Deutschland

09/2007 Diplom in Mediendesign
02/2011 Master in Design- und
Kommunikationsstrategien
09/2011 Master in Visuelle Kommunikation und
Bildforschung
11/2013 Motorradführerschein
12/2018 Promotion über Rhythmus als Bindeglied von Film und Musik
06/2019 Einstieg ins leavinghomefunktion-Pannen- theater, um aus den über 500 Stunden
Rohmaterial der Reise 110 min zu machen

Damit die Naivität, mit der diese Reise durchgeführt wurde, auch in der Produktion des Filmes weiterleben kann, entschied sich leavinghomfunktion für die Zusammenarbeit mit einem Regisseur, der als längstes filmisches Werk eine 16-minütige Sozialdokumentation »Kanu be- long Keram« vorweisen konnte und zuvor viel mehr an Musikvideos und Videoinstallationen gearbeitet hatte.

Daniel von Rüdiger, ebenfalls Künstler, Reisender und Motorradfahrer war schnell von der Kooperation überzeugt und nahm sich gerne des auf der Reise entstandenen Filmmaterials an. Er hatte keine Ahnung, was es bedeuten würde aus über 500 Stunden Rohmaterial einen 110-minütigen Kinofilm zu machen. Aber nach der Verteidigung seiner Doktorarbeit über Rhythmus als Bindeglied von dokumentarischem Filmmaterial und Musik war er äußerst motiviert seine Forschung zum Einsatz zu bringen.

Neben der Regie übernimmt auch die Arbeit an der Film- musik, die er mit seinem langjährigen Bandkollegen Stefan Carl umsetzt. Daniel von Rüdiger und Stefan Carl aka 0101 (www.0101.wtf) experimentieren mit genre- übergreifenden Sounds, um die Bilder, Emotionen und Breakdowns des Films zu interpretieren.

Dafür wurden Beats aus Motorräder-Reparaturgeräuschen gebaut und die Gitarren moduliert bis sie wie verschlissene Urals klangen. Für den Original-Soundtrack zu 972 BREAKDOWNS Auf dem Landweg nach New York arbeiteten sie mit diversen Musiker_innen zusammen. Insbesondere die Geige von Malwina Sosnowski ist ein bedeutendes Element für die filmischen Höhepunkte, in denen immer eine gewisse DIY Attitüde erhalten bleibt.

Da leavinghomefunktion auch die Rolle der Filmproduktion übernahm, waren filmische Experimente und analoge Animationen, deren Aufwand nur mit der künstlerischen Leidenschaft für das eigene Projekt zu rechtfertigen sind, möglich. Der Film kann somit als gemeinschaftliches Gesamtkunstwerk verstanden werden, bei dem gleichzeitig am Filmschnitt, der Musikkomposition, der Narration und den Animationen gearbeitet wurde.

Am Ende einer einjährigen Produktionsreise und etwa 972 000 Entscheidungen später, sind 165 500 Filmfra- mes auserkoren worden, um Kinosessel in Beiwagen zu verwandeln und die Besucher_innen auf eine audiovisuelle Reise um die Welt mit zu nehmen.

ERLEBNISBERICHT DER CREW
Um eine waschechte Expedition zu starten sind ein paar Dinge wichtig:
– Erstens: Das Ziel – New York City. Klingt irgendwie gut – Grund genug um aufzubrechen
– Zweitens: Eine Route: 10 tausende Kilometer Landweg und 80 km offene See zw. Russland und Alaska die Beringstraße.
– Drittens: Das Team – Anne, Efy, Elisabeth, Johannes und Kaupo – 5 frisch gebackene Künstler, die gerade ihren Motorradführerschein gemacht haben
– Viertens: Die Fahrzeuge: 4 alte russische Ural-Motorräder mit Beiwagen.

Im Herbst 2014 brechen wir aus Halle (Saale), Deutschland auf. Kompression im Motor, Zündzeitpunkt oder Ventilspiel sind alles Fremdworte für uns. Nach 25 km fangen unsere russischen Motorräder an zu streiken. Ziemlich schnell wird klar, dass uns der ADAC nicht bis! nach New York schleppen kann und so sind wir auf uns allein gestellt. Prompt werden wir mit unserem neuen Leben als Mechaniker konfrontiert – Pannen sind von nun an unsere stetigen Begleiter.

Es geht durch kasachische Gewitter, durch mongolische Wüste, entlang tausender Kilometer Wellblechpiste, pausenlos werden wir gejagt von Monstermücken. Berge aus Bürokratie! und tiefe Flüsse aus kaltem sibirischen Wasser können wir letztendlich nur mit eine Menge Erfindungsgeist überwinden. In abenteuerlicher, witziger, unüberlegter, manchmal auch gefährlicher Art und Weise finden wir heraus was Entfernung wirklich bedeutet.

Dort, wo Sibirien endet und der Fernen Osten Russlands anfängt, müssen wir lernen, dass es nicht immer eine gute Idee ist, eine Abkürzung zu nehmen. Die ‘Old Road of Bones’ – 300 km Sumpf, Flüsse und Schlamm – zeigt uns, dass Brücken eine sehr sehr sinnvolle Erfindung sind! Alle Strassen enden hier und der Landweg nach New York City wird zunehmend mühevoller. In der folgenden Winterpause entwickeln wir einen schwimmbaren Amphibien-Prototyp der Ural 650, denn im fernen Osten Russlands wartet der absolute Gipfel unserer Reise: 1600 km Fahrt auf dem entlegenen Kolyma Fluss. Aufgeregt stehen wir am Ufer des Kolyma und warten darauf, dass jemand kommt und uns aufhält… Es kommt aber niemand, und so bauen wir unsere Schiffswerft auf, lassen die Motorräder samt Schwimmkörper ins Wasser, tauschen Helme gegen Schwimmwesten und legen ab.

43.000 Kilometer später: Nach 2,5 Jahren haben wir es irgendwie nach New York geschafft. Uns ist klar geworden, da wo der eigene Plan nicht mehr aufgeht, entscheidet der Zufall über den weiteren Verlauf des Tages. Die Ural-Motorräder wurden zur Bühne unserer Reise. Der Vorhang öffnete sich mit jeder Panne. Wildfremde Leute kamen dazu und es ging los: Woher kommt ihr? Was ist passiert? Ich kann euch helfen! Die Kulissen veränderten sich stetig: Sanddünen, Militärparaden, Werkstätten, Hinterhöfe, Küchen …. Das Ergebnis blieb dasselbe: Grenzen begannen zu verschwinden – das Eis brach und wir erlebten jeden Tag die unterschiedlichsten Charaktere. Ohne deren Hilfe, den unzähligen Einladungen und Ratschlägen wären wir niemals soweit gekommen. Am 10.01.2017 um 15:04 sind wir in New York gelandet. Wenn man’s aber ganz genau nimmt, sind wir nicht nach New York gefahren. Wir wurden gezogen, abgeschleppt, Instand gesetzt und immer ein bisschen weiter geschoben.

PRESSE
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»Der […] entstandene Film macht […] allein vom Anschauen schon schmutzige Fingernägel, aber auch unheimlich Spaß. Er zeigt Staub und Strapazen, die gruseln lassen und er zeigt eine Truppe, die mit einer Mischung aus Naivität, Willen und Fantasie durch nichts zu stoppen ist. Tolle animierte Zeichnungen kündigen an, was als nächstes kaputt geht und der eigens für den Film produzierte, fantastische Soundtrack rundet das Ganze ab. Sehr, sehr sehenswert!«
Michael Schümann, MOTORRAD

»Das Beste an diesem gut aufbereiteten, filmischen Material ist das erfrischend ehrliche Bekenntnis zur hemmungslosen Naivität, mit der die Fünf unterwegs waren – vielleicht wäre die Menschheit ohne diese Bedenkenlosigkeit keinen Zentimeter voran gekommen.«
Knut Elstermann, radioeins rbb