Country No.1 – Herbst 2001 in New York

Regie: Kai Ehlers / 58:30 min. / 2002 / Englisch (UT: Deutsch) / Deutschland

20 Jahre nach dem 11. September 2001 nimmt ‚Country No.1‘ mit auf eine Zeitreise in den Herbst 2001, als die offizielle Geschichte noch nicht geschrieben war. Kurz nach dem 11. September gedreht der Film New York aus einer anderen Perspektive als die damals omnipräsenten Fernsehbilder. Er bezeugt, wie ‚einfache‘ New Yorker betroffen waren und wie sie ihre eigene Erzählung schaffen, um individuell mit der Situation zurecht zu kommen.

Kamera: Grischa Schmitz, Kai Ehlers
Schnitt: Anna Weber
Produktion: Filmareal, Filmakademie Baden-Württemberg, SWR

Watch the film on Vimeo: OmdU & OV (Eng)

Zwanzig Jahre nach dem 11. September 2001 nimmt ‚Country No.1‘ mit auf Zeitreise in den Herbst 2001, als die offizielle Geschichte noch nicht geschrieben war. Kurz nach dem 11. September fuhr ich in ein New York, das weltweit im Fokus stand. Mein Anliegen war es, die omnipräsenten Fernsehbilder zu kontrastieren, die ein offizielles Narrativ zu bestimmen begannen. Ich suchte Bilder aus dem Alltag, der im Schatten des Ereignisses weiterlief. Ich wollte zeigen, auf welche Weise ‚einfache New Yorker‘ betroffen waren und wie sie versuchten, ihre eigene Erzählung zu schaffen, um individuell mit der Situation zurecht zu kommen. Gefunden habe ich vier Protagonist:innen, die für mich einen Querschnitt abbildeten und alle an halb-öffentlichen Orten arbeiteten: In einem Zeitungskiosk, einem Schuhputzladen, einem Friseursalon und direkt auf der Straße, wie Scott, der ‚Murals‘ malte. Indem ich ihre Geschichten mit unkommentierten Bildern von ‚Ground Zero‘ und einer beginnenden Erinnerungskultur kombinierte, wollte ich den Prozess des ‚Geschichte-Machens‘ aufzeigen und die Frage aufwerfen, was werden könnte. In der Rückschau ist „Country No.1“ eine Zeitreise an einen Punkt, an dem noch nicht entschieden war, was werden würde. Heute lädt sie dazu ein, darüber nachzudenken, warum die Geschichte wurde, was sie heute ist.

CAST
Jackie Eldehdan, Jack n.n., Scott Lobaido, the guys from Hair Cut Hut

CREW
Regie: Kai Ehlers
Buch: Kai Ehlers
Kamera: Grischa Schmitz, Kai Ehlers
Schnitt: Anna Weber
Ton: Jan Gabriel, Kai Ehlers
Musik: Stephan Selke
Sounddesign: Michael Diehl
Titelgrafik: Sandra Jakisch

Producer: Steffi Ackermann
Produzent: Christian Drewing, Filmareal
Produktionsleitung (SWR): Jochen Dickbertel
Projektbetreuung: Thomas Schadt
Produktion: Filmareal, Filmakademie Baden-Württemberg, SWR
Redaktion: Ebbo Demant, Frank Hertweck

Verleih: Kai Ehlers Film

Kai Ehers – Filmografie

Freistaat Mittelpunkt
79 Minuten, Kai Ehlers Film, gefördert von der FFHHSH 2019

Helene Fischer – Allein im Licht
90 Minuten, UFA Fiction, ARD, 2013

Country No.1 – Herbst 2001 in New York
60 Minuten, Filmareal, Filmakademie Baden-Württemberg, „Junger Dokumentarfilm“ im SWR, gefördert von der MFG, 2002

Ich war 25 und Diplomand der Filmakademie Baden-Württemberg, als die Anschläge des 11. September verübt wurden. Bis in meine Träume haben mich die Bilder der zusammenstürzenden Türme des World Trade Center verfolgt. Wie so viele erschütterte dieses Ereignis auch meine westliche ‘Unschuld’, für die das Leiden der Welt andere betraf oder in der Vergangenheit stattgefunden hatte, nicht jedoch ‘uns’ treffen konnte. Diese Illusion war zerstoben mit allen Implikationen, die bis heute andauern. Afghanistan ist dafür aktuell das traurigste Beispiel. Seinerzeit erschien es mir unmöglich, andere Projekte zu entwickeln, alles andere erschien für den Moment belang- und bedeutungslos. Auch das ist aus der Rückschau natürlich eine perspektivische Verengung, die noch dem alten Weltbild entstammte. Um dieses und seine Veränderung zu überprüfen, entschied ich, unterstützt von meinem damaligen Dozenten Thomas Schadt, nach New York zu fliegen und ein filmisches Porträt dieser Stadt einzufangen. Der Fokus lag dabei von Anfang an nicht auf sensationalistischen Inhalten, sondern galt der zweiten Reihe: Denjenigen, die nicht unmittelbar selbst betroffen waren, d.h. überlebt hatten oder Angehörige verloren, sondern der Mehrheit der Bewohner:innen dieser riesigen Stadt, die vor allem eines waren, nämlich verunsichert. Sie wollte ich zeigen und welchen Umgang sie mit dieser Erschütterung finden und welche Erzählung ihnen dabei auch in Hinblick auf ihre eigenen Biographien helfen würde. So ist ein multiperspektivisches Porträt einzelner New Yorker:innen entstanden, das durch deren halböffentlichen Arbeitsplätze gleichzeitig aber auch die Stimmung der Straße und damit der Stadt New York widerspiegelt. Aus heutiger Sicht ist der Film ein Zeitdokument an der Schwelle eines Epochenwechsels. Das 20.Jahrhundert ist noch überall erkennbar, an den Biographien und Blickwinkeln der Protagonist:innen genauso wie anhand der Aufnahmetechnik. Das 21. Jahrhundert ist gerade hereingestürzt und wirft seinen Schatten voraus. Hatten die Menschen Einfluß auf den weiteren Verlauf der Geschichte, wie wir ihn heute kennen? Wie wird Geschichte gemacht und erzählt? Diesen Fragen kann man mit dem zeitlichen Abstand von heute in dem Film nachgehen. Aus meiner Sicht ein lohnenswerter Rückblick.

PRESSE
„Die berühmten Bilder des 11.September 2001 sind nicht zu sehen, aber immer präsent: Kai Ehlers zeigt in seiner einstündigen Dokumentation die Spuren, die die Anschläge auf das World Trade Center bei den einfachen Menschen hinterlassen haben. Ein schwarzer Gelegenheitsschuhputzer, eine libanesische Kioskinhaberin, ein Friseur, ein Fassadenmaler – sie alle erzählen, wie sich New York vor und nach dem Anschlag anfühlt. Ein Film, der hinter die Kulissen der offiziellen Geschichtsschreibung blickt.“
DiP, Zitty, 17.4.2003

„Mit ‚Country No.1‘ (am 7. November im Programm) demonstriert Kai Ehlers, dass die kleine Digitalkamera vor allem für Bilder taugt, die einer gröeren Ausrüstung und einem ‚professionellen‘ Fernsehteam wohl verborgen bleiben würden. Kurz nach dem 11. September 2001 war der Autor in New York und hat dort Zufallsbegegnungen dokumentiert. Was wohl ursprünglich als Portrait von Menschen am Rande der reichen Großstadt gedacht war, wird angesichts der Ereignisse zu einem (seltsam: mit 60 Minuten fast zu kurzem) Panoptikum einer allumfassenden Betroffenheit. Ob da eine Kioskbesitzerin, die aus dem Libanon stammt, allein wegen ihrer Herkunft nun um die Kunden bangt, ob da arabische Barbiere sich von Terroristen distanzieren – das ist anrührend und sehenswert.“ Uwe Künzel, Südkurier, 24.10.2002

„Anfangs sind die Szenen immer wieder gleich: Alle erzählen, wie sie am Morgen des 11.September zu Hause oder im Auto unterwegs waren, im Radio von den Anschlägen hörten und dann aus dem Fenster schauten. Später dann berichten sie auch über ihr eigenes Leben. Ein Film, der eine ganz andere Seite von New York zeigt und dank der Untertitel sehr authenthisch wirkt.“
Stuttgarter Zeitung, 24.10.2002

„Kai Ehlers tastet sich in Country No.1- Herbst 2001 in New York durch die vom Terror des 11.September erschütterte Stadt.“
Lars-Olav Beier, Spiegel 35/2002

FESTIVALS
Krakow International Film Festival
Kalamata International Film Festival – Best Student Film Award
Max Ophüls Festival
Biberacher Filmfestival
First Steps Nominee