Ich kam nach Palästina …

Regie: Robert Krieg / 90 min. / 1998 / Deutsch (UT: Englisch) / Deutschland

Ist ein dauerhafter Frieden zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn möglich? Und wenn ja – wie kann dieser Frieden aussehen? Neun ungewöhnliche Bürger des Staates Israel geben auf diese Fragen klarsichtige Antworten und sparen dabei nicht mit Kritik an ihrem eigenen Land, das sie einst als junge Pioniere der zionistischen Bewegung mitgegründet haben.

Regie: Robert Krieg
Kamera: Bert Oosterveld
Schnitt: Gesa Marten
Produktion: World TV Produktion

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Unser Film handelt von Juden aus Deutschland und Osteuropa, die in den dreißiger Jahren als junge Männer und Frauen unter dem Einfluss der zionistischen Bewegung nach Palästina auswanderten und den Staat Israel mitbegründeten. Diese Männer und Frauen setzten sich bereits in den vierziger und fünfziger Jahren für ein Friedensabkommen mit den Palästinensern ein, zu einer Zeit, als solche Aktivitäten noch als Hochverrat angesehen wurden. Die subjektiven Erinnerungen dieser Nonkonformisten stellen historische Zusammenhänge her, die den wenigsten Menschen bekannt sind, und bieten eine neue Perspektive. Die Lebensgeschichten der Protagonisten – und damit auch die Schicksale der europäischen Juden in diesem Jahrhundert – werden durch die eindringliche Art und Weise, in der die Protagonisten ihre Erinnerungen und Erfahrungen schildern, unmittelbar und anschaulich.

CAST
Uri Avnery
Edda Tandler
Joel Tandler
Hannah Jeremias
Hans Lebrecht
Pnina Feiler
Shmuel Amir
Ruth Lubitsch
Joseph Walk

CREW
Regie: Robert Krieg
Kamera: Bert Oosterveld
Schnitt: Gesa Marten
Produktion: Eine WORLD TV Produktion
Verleih: Krieg & Nolte GbR
Weltvertrieb: Krieg & Nolte GbR

Robert Krieg studierte Soziologie, Publizistik und Ethnologie und arbeitete danach als Lehrbeauftragter an der Fachhochschule Dortmund und den Universitäten Osnabrück und Bielefeld. Für die Robert Bosch Stiftung und das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales in Nordrhein-Westfalen war er als Soziologe tätig und führte sozialwissenschaftliche Forschungsprojekte zu den Themenschwerpunkten Marginalisierung und Migration durch.

Seit 1983 arbeitet er hauptsächlich als Dokumentarfilmer in Deutschland, Europa, Lateinamerika und im Nahen Osten. In den 1990er Jahren war er Dozent an der Internationalen Hochschule für Film und Fernsehen in San Antonio (Kuba) und leitete gemeinsam mit Dagmar Wünnenberg in den palästinensischen Gebieten ein von der Europäischen Union gefördertes Ausbildungsprojekt für Radio- und Fernsehjournalismus. 1997 gründete er gemeinsam mit Monika Nolte in Köln eine Autorengemeinschaft und Produktion für Film, Fernsehen und Hörfunk.

Er ist Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm und im Filmbüro NW, dessen Vorstand er 1989 bis 1992 sowie 2007 bis 2014 angehörte. Von 2016 bis 2021 war er zudem Mitglied im Rundfunkrat des WDR.

Fast fünfzig Jahre nach den erfolglosen Versuchen, einen Staat zu gründen, nach fünf verlorenen Kriegen und Jahrzehnten der Vertreibung, der Selbsttäuschung, der Demütigung und des Hasses ist die Gründung eines eigenen Staates für die Palästinenser nun zum ersten Mal in greifbare Nähe gerückt. Mitgekämpft und mit ihnen gelitten hat in all den Jahren eine kleine Minderheit der israelischen Bevölkerung, die es nie geschafft hat, zu einer großen Bewegung heranzuwachsen, die aber dennoch nichts unversucht ließ, um eine Aussöhnung von Juden und Arabern herbeizuführen. Ich spreche von der Handvoll alter jüdischer Männer und Frauen, die für das Recht der Palästinenser auf Selbstbestimmung kämpfen, einige von ihnen seit mehr als einem halben Jahrhundert.

Einst junge Pioniere, die sich dem zionistischen Ideal der Gründung eines jüdischen Staates verschrieben hatten, waren die meisten von ihnen in den 20er und 30er Jahren aus osteuropäischen Ländern und Deutschland ausgewandert und hatten sich in dem damaligen britischen Mandatsgebiet Palästina niedergelassen. Für einen Großteil dieser Einwanderer war die Vorstellung, dass die nationale Selbstverwirklichung aus einer Geschichte der antisemitischen Diskriminierung und Benachteiligung herausführen würde,
mit den Vorstellungen eines utopischen Sozialismus in Einklang: von den Früchten der eigenen Arbeit auf eigenem Boden in einer gerechten und brüderlichen Gesellschaft zu leben.

Doch ihre humanistischen Überzeugungen brachten sie in Konflikt mit der zionistischen Politik. Sie konnten nicht akzeptieren, dass die Existenz des arabischen Teils der Bevölkerung Palästinas negiert und die Araber von ihrem Boden vertrieben wurden. Sie stießen auf Unverständnis und offene Feindseligkeit, weil sie beharrlich vor den Folgen einer gewaltsamen Ausgrenzung der arabischen Bevölkerung warnten.

Die Lebenserinnerungen dieser Menschen blättern einen Teil der Geschichte Israels auf, ohne die es schwierig wäre, vollständig zu verstehen, was Israel dazu bewogen hat, endlich Frieden mit seinen arabischen Nachbarn zu schließen. Sie sind das Ferment gewesen, das in vielfältigen Formen, in parlamentarischen und außerparlamentarischen Bewegungen die Idee des friedlichen Zusammenlebens im Bewusstsein der israelischen Öffentlichkeit lebendig gehalten hat. Sie ihre Lebensgeschichten erzählen zu lassen, heißt, die Vorgeschichte der Friedensverhandlungen im Nahen Osten aufzurollen.

Für die frühen Friedenspioniere, die ich in meinem Film vorstellen möchte, geht die Hoffnung auf einen Frieden Hand in Hand mit der Utopie einer gerechten Gesellschaft. Im Rückblick auf ihr Leben und ihr persönliches Engagement habe ich sie gefragt, wie das Leben in Israel in der Ära des Friedens aussehen wird und ob die jüdischen Werte der humanen und gerechten Gleichheit auch in der zukünftigen israelischen Gesellschaft noch Gültigkeit haben werden.

Durch die Montage werden die Erzählungen miteinander verwoben. Eine Reihe von Einzelschicksalen wird so zur gemeinsamen Erfahrung einer Generation. Die Frauen unter meinen Zeitzeugen waren zum Beispiel vom Pioniergeist der 20er und 30er Jahre geprägt, der Frauen eine viel aktivere Rolle in der Gesellschaft ermöglichte. Durch die Anwendung des Fechner’schen Montageprinzips setzte ich meine „Protagonisten durch ihre wechselseitige Rede zum Thema über Raum und Zeit hinweg an einen imaginären gemeinsamen Tisch. Durch diesen fiktiven Dialog können Aussagen zusätzliche Kraft erhalten, indem sie von anderen ergänzt, erklärt oder vertieft werden, oder aber gegensätzliche Positionen durch die Gegenüberstellung unterschiedlicher Meinungen an Kontur gewinnen.“
(Egon Netenjakob über die Montage von Eberhard Fechner)

Im Leben meiner Zeitzeugen gibt es eine ganze Reihe Schlüsselerlebnisse, die existenzielle Bedeutung haben. Sie bilden Markierungspunkte und Wendemarken in der individuellen und gemeinsamen Geschichte. Mit Hilfe von Archivmaterial möchte ich diese Bruchstellen dokumentieren und die historischen Bilder dem Spannungsfeld der erinnernden Beschreibung aussetzen.

„Erinnerung ist nicht die Wahrheit. Erinnerung verändert sich ja ununterbrochen. Sie ist nicht das, was gewesen ist, sondern das, was ich mir einbilde oder was ich möchte, dass es gewesen ist.“ (Eberhard Fechner) Indem ich meine Zeitzeugen ihre Version der Geschichte Palästinas und Israels erzählen lasse, möchte ich die Wirklichkeit so darstellen, wie sie von ihnen subjektiv erlebt wurde. Aus der Summe der subjektiv erlebten Wirklichkeiten entsteht die Suche nach der Wahrheit, der Versuch, sich der Realität ein Stück weit anzunähern.

Robert Krieg, Köln, 1998

TALK
Diskussion mit Moshe Zuckermann und Irit Neidhardt nach dem Film ICH KAM NACH PALÄSTINA von Robert Krieg auf der Plattform docfilm42 am 19. November 2023.




 
Mit Robert Krieg, Filmemacher, Moshe Zuckermann, Historiker, Irit Neidhardt, Soziologin.
Diskussionsleitung und Zusammenschnitt: Angela Zumpe

PRESSE
„Ich habe gekämpft für ein Palästina frei von der Okkupation durch die Engländer, für ein Land, in dem Juden und Araber zusammenleben werden und wo niemand denkt, daß daran etwas stört „, erklärt die über neunzigjährige Ruth Lubitsch. Als Mitglied der kommunistischen Partei, die als einzige Partei Israels Juden und Arabern gleichermaßen offenstand, kann sie auf mehr als 60 Jahre aktives Engagement für die Rechte der Palästinenser zurückblicken. Noch nie war die Möglichkeit einer friedlichen Lösung im israelisch-palästinensischen Konflikt so nahegerückt wie heute, – und dennoch bleibt sie skeptisch: „Leider denke ich immer , daß ich es schon nicht mehr erleben werde.“

Die in Warschau geborene Ruth Lubitsch gehört einer kleinen Gruppe ähnlichgesinnter Israelis an, die sich schon bei der Staatsgründung Israels vor 50 Jahren dem offiziellen Mythos widersetzten, demzufolge es keine arabische Bevölkerung in Palästina gab und die jüdischen Siedler in den 20er und 30er Jahren in ein leeres Land gekommen seien. Damit haben sie sich nicht beliebt gemacht. „Wir sind immer gegen den Strom geschwommen, der hier üblich war, so daß wir in unseren Anschauungen eigentlich genug vereinsamt waren“, sagt Joel Tandler, der aus einer reichen kroatischen Lederhändlerfamilie stammt. In den 30er Jahren folgte er wie viele dem Ruf der zionistischen Jugendbewegung Haschomer Hazair und ging nach Palästina, um dort einen jüdischen Staat zu gründen, der eine gerechte und brüderliche Gesellschaft, in der es keine Diskriminierung gibt, verwirklichen sollte. Doch „die Ansichtskarte war viel schöner als die Wirklichkeit“, meint er heute rückblickend auf den Elan und die Hoffnungen der jungen Einwanderer.

Ruth Lubitsch und Joel Tandler sind zwei von insgesamt neun Zeitzeugen, geboren in Deutschland und Osteuropa, die Rückschau halten auf ihren jahrzehntelangen Kampf für Aussöhnung und einen gerechten Frieden zwischen Israelis und Palästinensern und mit ihren Lebenserinnerungen einen Teil der israelischen Geschichte erzählen, der von der offiziellen Geschichtsschreibung lange totgeschwiegen wurde. Dazu gehört Uri Avnery, der Yassir Arafat 1982 im belagerten Beirut besuchte und dafür wegen Hochverrat angeklagt werden sollte. Oder die 86jährige Hannah Jeremias, die nie in einer politischen Partei aktiv war und gemeinsam mit ihrem Mann schon in den 60er Jahren jüdische und arabische Jugendliche zusammenführte, um sie gemeinsam nach Deutschland in internationale Jugendlager zu schicken. Andere haben sich in den 50er Jahren vor israelische Traktoren gelegt, um die Beschlagnahmung von Ländereien arabischer Bauern zu verhindern. Ihrer Zähigkeit ist es zu verdanken, daß die arabische Minderheit im eigenen Land nicht mehr als Bürger zweiter Klasse behandelt wird und inzwischen die gleichen Rechte genießt. Dennoch sehen sie wenig Grund, in ihrem Kampf nachzulassen: „Je näher wir dem Frieden kommen, je mehr wird sich der Widerstand gegen den Frieden verhärten. Und je näher wir dem Ziel kommen, desto gefährlicher wird dieser Widerstand werden, und darum können wir uns nicht zur Ruhe setzen. Wir müssen einfach auf der Wacht sein“, sagt Uri Avnery.

Die Kaffeeküche unterm Bett
Sie alle zahlen den Preis, den man zahlen muss, wenn am an etwas glaubt, was die Mehrheit nicht will. In den 30er Jahren kamen sie nach Palästina mit der Illusion, dort einen jüdischen Sozialismus zu verwirklichen. Sie waren jung, auf der Flucht vor den Nazis, idealistisch. Die Frauen wollten keine frauentypischen Arbeiten mehr verrichten, sondern packten zu wie Männer. „Die Kibbuzbewegung war naiv“, erklärt die 90-jährige Ruth Lubitsch in Monika Noltes und Robert Kriegs Film, der im Anschluss an eine Studiodiskussion über Palästina ausgestrahlt wird, zu leider viel zu später Stunde. Edda Tandler sieht die Dinge im Rückblick mit leichter Ironie: Als „unsozialistisch“ habe es etwa gegolten, Kaffee zu trinken. Nachts habe man ihn heimlich unterm Bett gekocht. Doch dies sind nur die kleinen Geschichten, die den Dokumentarfilm zu einem spannenden Ausflug in die Vergangenheit machen – und die Fragen aufwerfen: Wie konnte es dazu kommen, dass jenes Volk ohne Land, einst durch die Nazis zu Opfern abgestempelt, sich selbst zum Herrschervolk und zur Besatzungsmacht entwickelte? Warum konnte es keinen Frieden zwischen eingewanderten Juden und Palästinensern geben?

Die Autoren haben Zeitzeugen befragt, deren Leben davon geprägt ist, dass sie sich für ein friedliches Zusammenleben von Juden und Arabern einsetzten und der linksgerichteten zionistischen Bewegung angehörten. Das Resultat ist ein analytisch klarsichtiger Report. Der Blick auf die Historie ist nicht verstellt von Machtinteressen, nicht gespickt mit der Rhetorik derer, die sich zur Siegermacht aufschwingen wollen.

Uri Avnery erklärt dies so: „Wir haben uns niemals von messianischen Gefühlen leiten lassen. Der Holocaust hat uns an Gottes Ratschluss zweifeln lassen.“ Die Zeitzeugen verdeutlichen jedoch auch, warum der so genannte Sechs-Tage-Krieg in eine 30 Jahre andauernde Okkupation und Erniedrigung von Arabern ausartete. Die Psychologie der israelischen Gesellschaft sei mehrheitlich über das eigene Gefühl des Opferdaseins definiert: „Wer sich permanent als Opfer wähnt, glaubt sich gefeit davor, rassistisch zu agieren.“
Gitta Düperthal, taz, 22. März 2002

Zu Amoz Oz´ jüngstem Roman „Geschichte von Liebe und Finsternis“
[…]
Es ist schwer, über das zu schreiben, was wir lieben. Beim Lesen der „Geschichte von Liebe und Finsternis“ erinnerte ich mich an Bilder des Dokumentarfilms „Ich kam nach Palästina“ von Monika Nolte und Robert Krieg (1998). Der Film porträtiert jene besondere Gruppe von deutschen und osteuropäischen Einwanderern der dreißiger Jahre, die im neuen Staat aus ihren Träumen ernüchtert erwachten und sich entgegen ihrer Regierung politisch zu engagieren begannen. Diese vereinzelten Randfiguren von einst sind heute ins Zentrum der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit gerückt und für die jüngere, politisch kritische Generation Israels von vitaler Bedeutung. Auch die Erzählung von Amos Oz hält dafür, dass ein Leben ohne Traum nicht lebenswert sei. Aber es kommt auf die Qualität des Traumes an.
Marie-Luise Bott, der Freitag, 25. November 2005

FESTIVALS
14. Internationales Dokumentarfilmfestival München
München, Deutschland
30. April bis 9. Mai 1999

Flying Broom Women’s Film Festival Ankara
Ankara, Türkei
8. bis 15. Mai 2003

Middle East International Film Festival
Abu Dhabi, Vereinigte Arabischen Emirate
10. bis 19. Oktober 2008