Out in Ost-Berlin

Regie: Jochen Hick & Andreas Strohfeldt / 94 min. / 2013 / Deutsch (UT: Englisch) / Deutschland

Auch in der DDR erlebten die meisten Homosexuellen Angst und Schuldgefühle.
Seit 1968 war Homosexualität in der DDR straffrei, doch sie blieb ein Tabu. Viele Homosexuelle gerieten in den dramatischen Konflikt zwischen Heimatliebe und Protest gegen den sie ignorierenden Staat.

Manche wollten einfach nur„ganz normal leben, manche wehrten sich gegen ihre Ausgrenzung, andere kämpften für „Freiräume“ und Emanzipation. Argwöhnisch beäugt vom MfS, organisierten sie sich unter dem Dach der evangelischen Kirche. Die „Homos“ wurden ein Politikum.

„OUT IN OST-BERLIN“ erzählt spannende, überraschende Geschichten aus dem Alltag einer Minderheit in der DDR.

Buch & Regie: Jochen Hick & Andreas Strohfeldt
Kamera: Jochen Hick & Thomas Zahn
Schnitt: Thomas Keller
Produzent: Jochen Hick

1968 wird in der DDR der § 175, der die Homosexualität unter Strafe stellt, abgeschafft. Im real existierenden Sozialismus wird Homosexualität politisch zunächst als vernachlässigbares Thema behandelt. Die Kleinfamilie bildet den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Sozialisation. Schwule und Lesben leben auch in der DDR verborgen und wagen sich, wie im Westen auch, nur vereinzelt an die Öffentlichkeit. Vor dem Mauerbau knüpfen die Ost-Berliner noch gefährlich erscheinende Kontakte zu den West-Berlinern. Danach wird es stiller im schwulen Osten.

Die Verzauberten treffen sich in unbeobachteten, privaten Kreisen. Sie feiern reihum ihre kleinen Feste und es entsteht ein verträumt-vertrautes schwules Refugium, in dem ganz wenige Bars, und auch der verborgene nächtliche Parkbesuch, Kontakt zu Gleichgesinnten ermöglicht. Das homosexuelle Leben im Verborgenen ändert sich in der DDR Mitte der 1970er Jahre.

Von der BRD und ihrer schwulen Emanzipationsbewegung beeinflusst, und nur wenig zeitversetzt, bilden sich in der DDR Arbeitsgruppen zur Homosexualität, die aufbrechen, unter dem Schutz der Kirchen, emanzipatorische und offen gelebte, schwule Lebensformen als Alternative zur Kleinfamilie zu entwickeln. Sich homosexuell zu outen wird durch die solidarischen Gruppen leichter.

„Out in Ost-Berlin“ begleitet die Erzählungen von schwulen Männern und lesbischen Frauen durch die sozialistische DDR bis zum Mauerfall. Ihre unterschiedlichen Erfahrungen auf dem Weg zu einer selbstbewusst geouteten sexuellen Identität, eint jedoch eine spezifische Perspektive: Sie werden vom wachsamen Auge der Stasi begleitet und ihre Schritte sind bis ins Bett hinein in unzähligen Akten-Dossiers notiert. Der Filmemacher Jochen Hick zeichnet mit Andreas Strohfeld anhand der homosexuellen Perspektive ein politisches Bild der DDR, in dem die Bürger kontrolliert, bespitzelt und in ihrer Bewegung einschränkt sind und zum Verrat an der eigenen Sache, nämlich der homosexuellen Emanzipation, aufgefordert werden. Der Mauerfall beendet zwar die akribische Bespitzelung der Stasi, aber sie hinterlässt auch 20 Jahre nach dem Mauerfall Spuren in den Menschen, die unter den Bedingungen der real existierenden DDR versucht haben, ihre Homosexualität leben zu können.

OUT IN OST-BERLIN (2013) ist der erste Teil der queeren Berlin-Trilogie. Der zweite Teil MEIN WUNDERBARES WEST-BERLIN wurde 2017 auf der Berlinale uraufgeführt. Der dritte Teil (1990-heute) ist derzeit in Produktion (Stand März 2021).

CAST
Peter Bausdorf, Bettina Dziggel, Michael Eggert, Andreas Fux, Marinka Körzendörfer, Marina Krug, Klaus Laabs, Jürgen Litfin, Gerhard Plöse, Christian Pulz, Michael Raimann, Peter Rausch, Eduard Stapel, Peter Tatchell u.v.a.

CREW
Buch & Regie: Jochen Hick & Andreas Strohfeldt
Kamera: Jochen Hick & Thomas Zahn
Tonassistenz: Björn Geldermann
Schnitt & Motion design: Thomas Keller
Schnittassistenz: Gilles Lasnet
Musik: Stefan Kuschner & Matthias Köninger
Musikberatung: Michael Kramer & Christoph Weber
Sound design & Mischung: Jörg Theil & Michael Kaczmarek
Dramaturgie: Karin Wallenczus
Produktionsberatung: Christian Jentzsch
Catering: Nadja Schallenberg, Gilles Lasnet
Englische Untertitel: Joel Kirby
Filmplakat: Tanja van de Loo
Produktionsleitung: Hermann Hick
Produktionsassistenz: Ursula Scheid
Produzent: Jochen Hick
Galeria Alaska Productions / Jochen Hick

Gefördert durch:
Filmförderung Hamburg Schleswig‐Holstein
MFG Filmförderung Baden‐Württemberg

Jochen Hick
Geboren in Darmstadt. 1981-87 Filmstudium an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg und in Bologna. Freier Autor, Journalist, Regisseur und Produzent für Kino und Fernsehen. 2007-2010 Chefredakteur und stlv. Programmdirektor beim TV-Sender TIMM. Nebenberuflich Dozent an der dffb Berlin.

Filmografie Jochen Hick (Auswahl) an als Regisseur, Autor und (außer VIA APPIA) auch als
Produzent:

1985 MOND ÜBER PITTSBURGH (short)
1987 GERD HANSEN, 55 (short)
1988‐90 VIA APPIA (feature)
1991 TEUFEL IM PARADIES (docufeature)
1992 WILLKOMMEN IM DOM (short documentary) *
1995 MENMANIACS ‐ The Legacy of Leather (documentary) *
1998 SEX/LIFE IN L.A. (feature documentary) *
2000 NO ONE SLEEPS (feature) *
2003 ICH KENN KEINEN (feature documentary) *
2005 CYCLES OF PORN (feature documentary) *
2005 AM ENDE DES REGENBOGENS/RAINBOW’S END (feature documentary)
2006 HALLELUJAH! (short)
2006 DEUTSCHLAND – EIN HERBSTMÄRCHEN (short)
2008 EAST/WEST – SEX & POLITICS (feature documentary) *
2009 THE GOOD AMERICAN (feature documentary) *
2013 OUT IN OST-BERLIN * (documentary – with Andreas Strohfeldt)
2016 DER OST-KOMPLEX * (documentary)
2017 MEIN WUNDERBARES WEST-BERLIN * (documentary)

* = Berlinale Teilnahmen

Seit 2020 in Produktion: BERLIN REVSITED (Arbeitstitel)

Zehn Filme von Jochen Hick sind online verfügbar auf Sooner.

Andreas Strohfeldt
Andreas Strohfeldt wurde 1962 nördlich von Berlin geboren. Nach seinem Studium in Moskau lebte er in den 90er Jahren vor allem in Petersburg. Er organisierte dort unter anderem queere Filmfestivals und Retrospektiven. In den letzten 15 Jahren arbeitete er zusammen mit Elfi Mikesch, Ulrike Ottinger, Rosa von Praunheim, Jochen Hick, Lara Quaglia und Kevin Sim. Er ist Autor und Regisseur verschiedener Kurzfilme.

Filmografie Andreas Strohfeldt (Auswahl)
2008 EAST/WEST – Sex & Politics (Regie: Jochen Hick) – Regieassistenz *
2011 DDR UNTERM REGENBOGEN TV (45 min) (in Co‐Regie mit Jochen Hick)
2013 TRIFONOV – Dichter und Rebell
* = Berlinale Teilnahmen

INTERVIEW

Teddy TV Interview mit Jochen Hick und Andreas Strohfeldt zur Berlinale 2013 (english).

OUT IN OST-BERLIN – Jochen Hick und Andreas Strohfeldt im Filmgespräch am 11.04.2021. Aufzeichnung des filmbegleitenden Gesprächs vom 11.04.2021 in Anwesenheit der Protagonisten Bettina Dziggel, Christian Pulz, Peter Rausch und Wolfgang Beyer. Moderation: Erik Lemke.

PRESSESTIMMEN

Claus Löser in Berliner Zeitung  vom 31.10.2013

Johan Dehoust in Der Spiegel vom 31.10.2013

Caroline M. Buck in Neues Deutschland vom 31.10.2013

Ulrike Rechel in tip vom 31.10.2013

Queer.de vom 30.10.2013

Detlef Kuhlbrodt in der taz vom 31.10.2013

Stephen Dalton in Hollywood Reporter vom 7.2.2013

Kulturspiegel vom 31.10.2013

James Kirchick in SPIEGEL International am 15.2.2013

Links und Zitate aus zahlreichen weiteren Presseartikeln hier.

 

 

PROTAGONISTEN (KURZBIOGRAFIEN)
Peter Bausdorf
geboren 1942 in Berlin. Von Beruf Puppenspieler. Sein Coming Out erlebte er in den 50er Jahren. Seine homosexuellen Schulfreunde und er bezeichneten sich selbst als „Verzauberte“. Der Bau der Mauer trennte ihn von seinem ersten Freund, der in Westberlin lebte. Mit seinem jetzigen Freund Dieter ist er seit 48 Jahren zusammen. Peters Traum war es, ein „ganz normales Leben zu führen“. Mit seinem Freundeskreis veranstaltete er große Partys mit bis zu 50 Gästen und eigens inszenierten Travestie-Programmen.

Jürgen Litfin
geboren 1937 in Berlin. Bruder von Günther Litfin, der am 24. August 1961 bei seinem Versuch, durch den Humboldthafen schwimmend nach Westberlin zu gelangen, von DDR Grenzpolizisten erschossen wurde. Er war das erste durch Schüsse getötete Maueropfer. Das NEUE DEUTSCHLAND bezeichnete Günther Litfin in zwei diffamierenden Artikel am 1.9. und 2.9.1961 als „Puppe“, einen kriminellen Homosexuellen, der sich in Ost-Berlin seine Opfer gesucht habe. In Westberlin wurde ihm ein Gedenkstein gestiftet. Jürgen Litfin wehrt sich vehement gegen den Verdacht, sein Bruder Günther sei homosexuell gewesen. Er betreibt heute unweit des Humboldthafens, wo sich auch der Gedenkstein für seinen Bruder befindet, einen ehemaligen Mauerturm als Gedenkstätte. 2001 veröffentlichte das NEUE DEUTSCHLAND einen ausführlichen Artikel, der die Ereignisse und Berichterstattung von 1961 zum Gegenstand hatte.

Marina Krug
geboren 1960, aufgewachsen auf dem Gelände der Jugendhochschule Wilhelm Pieck am Bogensee, wo ihr Vater Marxismus/Leninismus unterrichtete. Sie bezeichnet ihre Kindheit in dieser „politischen Kolonie“ als „märchenhaft“. Mit 8 Jahren zog ihre Familie nach Apolda bei Erfurt, wo sie erstmals die DDR Wirklichkeit erlebte. Schon sehr jung fühlte sie sich mehr zu Mädchen als zu Jungen hingezogen und litt unter dem Mangel an Information und möglichen Alternativen in der DDR. Während des Studiums an der HUB lernte sie andere lesbische Frauen kennen und erlebte ihr Coming Out. Sie brach ihr Studium ab, engagierte sich gegen die drohende Wehrpflicht für Frauen in der DDR, gründete 1983 mit anderen lesbischen Frauen den Arbeitskreis „Homosexuelle Selbsthilfe – Lesben in der Kirche“ bei der Gethsemanegemeinde. Im April 1985 war sie eine der Organisatorinnen der vereitelten Kranzniederlegung für die lesbischen Opfer des Faschismus im ehemaligen KZ Ravensbrück. Zunehmend geriet sie in Konflikt mit ihrer Familie und dem Land, das diese repräsentierte. 1986 kehrte sie der DDR den Rücken und lebt seitdem in Westberlin. Sie unterrichtet Deutsch für Grundschüler mit Migrationshintergrund.

Klaus Laabs
geboren 1950 in Berlin. Sein Vater war in den 50er Jahren Staatssekretär für Volksbildung. Von Kindesbeinen an interessierte sich Klaus für Politik und wollte „ganz oben mitmischen“. Dabei verfolgte ihn die permanente Angst, dass irgendjemand seine Homosexualität erraten könne. Er studierte Diplomatie in Moskau, wurde aber, weil er dort „nicht hinein passte“, nach drei Jahren relegiert. 1979 begann er ein zweites Studium an der HUB. Er erlebte sein Coming Out und engagierte sich in den Anfang der 80er Jahre entstehenden Schwulen- und Lesbengruppen. Sein Ziel war es, innerhalb der SED die Schwulenfrage zu diskutieren. Als Konsequenz wurde er 1984 aus der Partei ausgeschlossen und verlor seine beruflichen
Perspektiven. Er profilierte sich als literarischer Übersetzer und wurde Mitglied des Schriftstellerverbandes der DDR. Seine engagiert kritische Distanz zur DDR bewahrte er bis zu deren Ende. Das MfS leitete 1988 einen Operativen Vorgang gegen ihn ein. Im Oktober 1989 beteiligte er sich aktiv an den Demonstrationen gegen die Parteiführung. Klaus arbeitet bis heute als literarischer Übersetzer, vornehmlich aus dem Spanischen.

Christian Pulz
geboren 1944, aufgewachsen in Bad Elster. Er ahnt früh von seiner Homosexualität, entwickelt Angst- und Schuldgefühle, die lange Zeit sein Leben prägen. Durch einen Freund schließt er sich einer christlichen Gruppe an und erlebt eine „Blitzbekehrung“. Während seines Theologie Studiums in Leipzig lernt er die schwulen Klappen (öffentliche Toiletten) kennen. Aufgrund der Indiskretion eines Kommilitonen wird im Theologischen Seminar seine Homosexualität „ruchbar“. Die offene Feindschaft der meisten Dozenten und Mitstudenten zwingt ihn, sein Studium abzubrechen. Er arbeitet als Buchhändler, Ende der 80er Jahre als Sozialfürsorger. Anfang der 80er Jahre in Leipzig bei der Evangelischen Studentengemeinde und später in Berlin – zunächst in Hohenschönhausen, dann bei der Bekenntnisgemeinde in Berlin Treptow – gründet Christian mit Gleichgesinnten Arbeitskreise, in denen sich Lesben und Schwule für ihre Emanzipation engagieren („Schwule in der Kirche – Arbeitskreis Homosexuelle Selbsthilfe“). Während der Friedenswerkstatt 1983 in Rummelsburg hat die Gruppe unter dem Motto „Lieber ein warmer Bruder als ein kalter Krieger“ ihren ersten öffentlichen Auftritt. Nach der Wende war Christian von 1990 bis 1995 Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin und jugendpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Marinka Körzendörfer
geboren 1960 in Berlin. Ihre Mutter war aktiv in der SED. Marinka interessierte sich schon als Kind für Politik. Warum die sowjetische Armee in die Tschechoslowakei einmarschierte, konnte sie nicht nachvollziehen. „Die ersten Fragen begannen.“ Sie studierte Journalistik an der KMU in Leipzig. Erst mit ca. 30 Jahren hatte sie ihr Coming Out als lesbische Frau. Sie engagierte sich im Arbeitskreis „Homosexuelle Selbsthilfe – Lesben in der Kirche“ bei der
Gethsemanegemeinde, war gemeinsam mit Marina Krug und Bettina Dziggel beteiligt an der m April 1985 von der Staatsmacht vereitelten Kranzniederlegung für die im KZ Ravensbrück ermordeten lesbischen Frauen. Marinka bedauerte es, dass so viele der engagierten Frauen die DDR verließen. Eine Übersiedlung in den Westen kam für sie nicht in Frage. Während der Wendemonate Oktober/November 1989 engagierte sie sich am Kontakttelefon der Bürgerrechtler. Sie arbeitet heute als Bibliothekarin.

Peter Rausch
geboren 1950 in Berlin, als Sohn einer kommunistischen Arbeiterfamilie. Er wuchs in der Frankfurter, damals Stalin-Allee auf. Nach seinem Wehrdienst bei der NVA studierte er von 1971 bis 1975 Elektroniktechnologie an der HUB. In seiner Einzimmerwohnung in der Rathausstraße in Berlin Mitte, neben dem Roten Rathaus. gründete er mit Michael Eggert und anderen Gleichgesinnten im Februar 1973 die HIB – Homosexuelle Interessengemeinschaft Berlin. Ziele der HIB waren: Familie zu sein, Aufklärung über Homosexualität in der DDR Öffentlichkeit sowie Aufklärung innerhalb der „Szene“ zu leisten. Die HIB drehte mehrere 8mm Filme, organisierte Veranstaltungen und Feste sowie ein eigenes Kabarett. Durch Eingaben an Staatsorgane wollte man als Verein staatliche Anerkennung finden. Die endgültige Ablehnung ihres Anliegens bedeutete für Peter einen „inneren Bruch“. Er engagiert sich auch heute noch im Vorruhestand für lesbische und schwule Belange, vor allem im Sonntagsklub. Mit seinem Freund Lothar lebt er in Berlin Tegel.

Michael Eggert
geboren 1953 in Berlin. Er war neben Peter Rausch einer der Mitgründer und aktivsten Mitglieder der HIB. Nach dem Ende der HIB engagierte er sich in den 80er Jahren in kirchlichen Gruppen und später im säkularen Sonntagsklub.

Peter Tatchell
geboren 1952 in Melbourne, lebt in London. Engagierte sich schon als junger Mann für die Rechte von Lesben und Schwulen. Dank seiner guten Kontakte zu linken Parteien und Jugendorganisationen erhielt er eine Einladung zu den Weltfestspielen der Jugend und Studenten 1973 in Berlin. Durch Vermittlung schwuler Aktivisten in Westberlin lernte er Peter Rausch und Micha Eggert kennen, die ihn unterstützten. Während der Weltfestspiele verteilte er tausende Flugblätter und trat während eines öffentlichen Symposiums für die Emanzipation Homosexueller ein. Im Vorfeld der Abschlusskundgebung wollte er mit einem Plakat seinen Forderungen Nachdruck verleihen, wurde aber von britischen Delegierten körperlich angegriffen. Peter ist bis heute einer der international bekanntesten LGBT-Aktivisten.

Bettina Dziggel
geboren 1960 in einem Dorf bei Dresden. Kam 1981nach ihrem Ingenieur- Studium in Halle/Wettin nach Berlin. Sie beteiligte zunächst in Friedensgruppen, war 1983/84 eine der Gründerinnen des Arbeitskreises „Homosexuelle Selbsthilfe – Lesben in der Kirche“ bei der Gethsemanegemeinde, in dem sie sich bis zum Ende der DDR engagierte. Arbeitet heute als Erzieherin mit Menschen mit geistiger Beeinträchtigung.

Michael Raimann
geboren 1956 in Berlin Prenzlauer Berg. Unkompliziertes Coming Out. Lehre als Verkäufer (abgebrochen) und Fotograf. Lebte Ende der 70er/Anfang der 80er Jahre in Warschau. Organisierte mit Freunden in einer besetzten Wohnung im Prenzlauer Berg, Partys und Performances, die noch heute Gesprächsthema sind. 1983: Travestie-Kabarett „El-Friede muss bewaffnet sein“ in einem Hinterhaus im Prenzlauer Berg. 1984 Ausreise nach Westberlin. Tritt unter dem Pseudonym Marie Marlene von P als Chansonsänger in Berliner Varietés und international auf.

Andreas Fux
geboren 1964 in Berlin Lichtenberg. Lernte bei der Deutschen Reichsbahn Elektromonteur, interessierte sich aber eigentlich für Fotografie. War fasziniert vom Prenzlauer Berg und der dortigen Kulturszene. Mit einem amerikanischen Freund (Fred Frumberg), der an der Komischen Oper als Praktikant und Assistent bei Harry Kupfer arbeitete, reiste er 1985 nach Prag. Am Grenzbahnhof in Bad Schandau wurde er verhaftet und verhört. Man warf ihm vor, er habe die DDR illegal verlassen wollen. Sein Ausweis wurde einbehalten. Zurück in Berlin warb ihn das MfS, unter Ausnutzung seiner prekären Situation (keine reguläre Arbeit, schwierige Familienverhältnisse, keine Wohnung) als Inoffiziellen Mitarbeiter. Er sollte Informationen und Fotos über die kirchlichen Arbeitskreise beschaffen, und stand vor dem moralischen Dilemma, diejenigen ausspionieren zu sollen, die seine Freunde waren. Andreas Fux war in Ostberlin der erste Fotograf von Männerakten. Einige wurden noch vor der Wende im MAGAZIN veröffentlicht. Ein Studium und die Mitgliedschaft in Berufsverbänden waren ihm verwehrt. Andreas lebt heute noch im Prenzlauer Berg als anerkannter Fotograf.

Eddy Stapel
geboren 1953 in Bismark (Altmark). Studierte zunächst Journalistik, dann Theologie in Leipzig. War 1982 gemeinsam mit Christian Pulz Mitgründer des Arbeitskreises Homosexualität bei der Evangelischen Studentengemeinde in Leipzig. Setzte sich in der Kirche für die Ordination offen schwuler Priester ein, weshalb ihm das Priesteramt verwehrt wurde. Von 1985 bis 1990 war er Angestellter für Schwulenarbeit bei der Evangelischen Stadtmission in Magdeburg. Er engagierte sich vehement für die Gründung von Arbeitskreisen Homosexualität in vielen, auch kleineren Städten der DDR und befand sich deshalb im Visier der Staatssicherheit. Sein Dossier füllt mehr als 10 dicke Aktenordner. Nach der Wende war er unter anderem Mitgründer des LSVD (Lesben- und Schwulenverband Deutschland). Er lebt in Bismark mit seinem Bruder Bernd. Seit 2011 ist er Bürgermeister der Kleinstadt.

Chronologischer Abriss zur Geschichte der Homosexualität in der DDR
ab 1949
Der Paragraph 175 wird in der Fassung der Weimarer Republik (für dessen Abschaffung sich auch die KPD eingesetzt hatte) im Strafrecht angewandt. Die von den Nazis 1935 verfügte Verschärfung der Strafverfolgung wird aufgehoben, der Paragraph 175a (zum angeblich besonderen Schutz der Jugend) jedoch beibehalten. Zwischen 1945 und 1959 wurden mehr als 3000 männliche Jugendliche und Erwachsene nach Paragraph 175 und 175a zu Gefängnis und Zuchthaus verurteilt. Zum Vergleich: In der Bundesrepublik galt bis 1969 die 1935 von den Nazis verschärfte Fassung der Paragraphen 175 und 175a, nach denen zwischen 1950 und 1969 mehr als 100.000 Ermittlungsverfahren eingeleitet und mehr als 50.000 Menschen verurteilt wurden.

ab 1957
Durch das Strafrechtsveränderungsgesetz wird der Paragraph 175 kaum noch bei einvernehmlichen sexuellen Handlungen zwischen erwachsenen Männern angewandt.

1968
Annahme des StGB der DDR, in dem die früheren Paragraphen 175 und 175a gestrichen sind. Der neue Paragraph 151 ahndet homosexuelle Kontakte Erwachsener mit minderjährigen Jungen und Mädchen (unter 18 Jahren). Das Gesetz sieht Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren oder Verurteilung auf Bewährung vor. Das Schutzalter für heterosexuelle Jugendliche liegt bei 16 Jahren.

1973
Gründung der Homosexuellen Interessengemeinschaft Berlin (HIB), inspiriert von den Aktionen der Homosexuellen Aktion Westberlin (HAW) und dem Film „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“.

1973
Während der Weltfestspiele der Jugend und Studenten im Sommer 1973 in Berlin kommt es zum ersten öffentlichen Protest für Schwulenrechte in einem kommunistischen Land durch den einzigen offen schwulen Delegierten des Festivals, Peter Tatchell von der Gay Liberation Front London.

1979
Verbot der HIB

1982
Im Februar findet eine Tagung der Berlin-Brandenburgische Akademie der Evangelischen Kirchensynode statt, in deren Konsequenz sich die Evangelische Kirche in der DDR sich für Lesben und Schwulen öffnet. Homosexuelle Gruppen unter dem Dach entstehen, zunächst in Berlin, dann in Leipzig, später in vielen anderen Städten.

1983
Das MfS qualifiziert die Aktivitäten der Lesben- und Schwulengruppen unter dem Dach der Kirche als „feindlich negativ“. Sie sollen „wirksam eingeschränkt und zurückgedrängt sowie eine Öffentlichkeitswirksamkeit dieser weitgehend ausgeschaltet werden.“

1984
An der Humboldt Universität Berlin (HUB) wird mit Auftrag des Magistrats eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe gebildet, die Empfehlungen zum Umgang mit Lesben und Schwulen in der DDR erarbeiten soll. Ein Jahr später fand eine erste wissenschaftliche Fachtagung statt.

1986
Gründung des Sonntagsklubs in Berlin und anderer nichtkirchlicher Lesben- und Schwulengruppen , wie Rosa Linde in Leipzig. Allmählich öffnen sich die Medien dem Thema Homosexualität.
1987 Die erste wissenschaftliche Abhandlung zum Thema Homosexualität – „Homosexualität. Herausforderung an Wissen und Toleranz.“ – wird als Buch veröffentlicht. Ihr Autor ist der Gründer und Leiter des Forensischen Instituts in Berlin

– Prof. Rainer Werner. Wegen ihres biologistischen Ansatzes wird das Buch in einer Erstauflage von 50.000 Exemplaren (die schnell vergriffen sind) heftig kritisiert.

1988
Die beliebte Jugendsendung „Mensch Du!“ von Radio DT 64 bringt einige Sendungen zum Thema Homosexualität. Die Redaktion wird mit Leserbriefen überschwemmt. Am 14.12. beschließt die Volkskammer die Abschaffung des Paragraphen 151. Homosexuelle und Heterosexuelle sind in der DDR de jure gleichberechtigt. Das Schutzalter für homo- und heterosexuelle Handlungen liegt bei 16 Jahren. Die Strafrechtsänderung tritt am 30.5.1989 in Kraft.

1989
Nach vielen Querelen mit der Zensur erscheint Jürgen Lemkes Buch „Ganz normal anders. Auskünfte Schwuler Männer.“.

Am 9. November 1989: Premiere des Films „Coming out“ (Regie Heiner Carow) im Berliner Kino International.

1994
Abschaffung des Paragraphen 175 in der BRD. Bis dahin galten nach der Wiedervereinigung unterschiedliche Straftatsregelungen auf dem Gebiet der alten und der neuen Bundesländer.