Souvenir

86 min. / 2014 / Deutsch, Englisch, Nepalesisch, Russisch / Deutschland

Im Mittelpunkt des Films SOUVENIR steht Alfred D., der sich selbst als »Demokratie-Exporteur« bezeichnet. Mehr als zwanzig Jahre lang hat sich Alfred im Auftrag deutscher Stiftungen auf der ganzen Welt für demokratisches Bewusstsein und rechtsstaatliche Strukturen eingesetzt und seine Missionen filmisch festgehalten. Auch sich selbst hat er dabei vor der Kamera immer wieder inszeniert, zuletzt seinen Wahlkampf zur Kandidatur als Europa-Abgeordneter der SPD in seinem schwäbischen Heimatwahlkreis.

Buch & Regie: André Siegers
Kamera: Tanja Häring, Alfred D.
Schnitt: David Siegers, Ute Adamczewski
Produktion: Filmtank

Dieser Film wurde im Sommer 2020 in Kooperation mit docfilm42 während des LCB-Festivals gezeigt und befindet sich jetzt im Archiv.

Im Mittelpunkt des Films SOUVENIR steht Alfred D., der sich selbst als »Demokratie-Exporteur«. bezeichnet. Mehr als zwanzig Jahre lang hat sich Alfred im Auftrag deutscher Stiftungen auf der ganzen Welt für demokratisches Bewusstsein und rechtsstaatliche Strukturen eingesetzt und seine Missionen filmisch festgehalten. Auch sich selbst hat er dabei vor der Kamera immer wieder inszeniert, zuletzt seinen Wahlkampf zur Kandidatur als Europa-Abgeordneter der SPD in seinem schwäbischen Heimatwahlkreis.

CAST
Alfred Diebold

CREW
Regie: André Siegers
Buch: André Siegers
Kamera: Tanja Häring, Alfred D.
Schnitt: David Siegers, Ute Adamczewski
Ton: David Siegers
Sounddesign & Mischung: Roman Vehlken
Farbkorrektur: Nils Petersen
Produzent: Thomas Tielsch
Produktionsleitung: Jan-Peter Heusermann
Producerin: Julia Cöllen
Producer Stoffentwicklung: Christoph Pasour
Produktion: Filmtank
Gefördert von: der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein und der Robert-Bosch-Stiftung. Kooperation mit der HFBK Hamburg

André Siegers
Geboren am 21.03.1978 in Mönchengladbach. Studium der Literaturwissenschaften an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Gegenwärtig Masterstudium bei Pepe Danquart an der Hochschule für bildende Künste, Hamburg.

Aus der Filmographie:
2006 Der Feierabendclub, Dokumentarfilm, 60 min, Co-Autor und Co-Regie (31.05.2007 Ausstrahlung auf Arte).

Die Grundlage des Films bildet das private Videoarchiv des Protagonisten Alfred D..

Hunderte Stunden von Material aufgenommen in einem Zeitraum von mehr als 20 Jahren. Es sind filmische Fragmente seines Lebens und Wirkens.

Souvenir versucht keine Biographie im üblichen Sinn der Nachzeichnung einer Lebensgeschichte zu erzählen. Er folgt der Filmographie des Amateurfilmers Alfred D.. Der Film ist weniger an der Nacherzählung eines Lebens als vielmehr an den Bildern interessiert, die diese Lebensgeschichte produziert hat und durch die sie erst konstruiert wird. Die Archivaufnahmen dokumentieren in gewisser Weise Alfreds Arbeit an seiner eigenen Lebensgeschichte und diese „Arbeit an den Bildern“, versucht Souvenir zu zeigen. Nicht „was wirklich gewesen ist“, steht im Fokus des Films, sondern die Frage danach, wie und welche Bilder Alfred produziert, um sich und die Welt abzubilden. Ich verstehe Alfreds Videokamera dann auch nicht als bloßen Aufzeichnungsapparat, der Dinge und Menschen festhält. Die Kamera ist hier ein Werkzeug der Konstruktion. Alfred bringt mit seiner Kamera hervor. Bilder von Menschen, Tieren, Landschaften, Städten. Er schafft Verhältnisse und stiftet mit der Hilfe seiner Videokamera Identität. Er kreiert Selbstbilder, indem er sich seiner Kamera anvertraut, sich inszeniert, das Erlebte moderiert. In diesem Sinn ist die Videokamera eine „Selbsthervorbringungsmaschine“, die nicht nur dokumentiert sondern auch Ich-Bilder konstruiert. Nicht unbedingt die Realität, sondern der Wunsch nach einem bestimmten Selbstverständnis wird in seinen Aufnahmen abgebildet und immer wieder neu verhandelt. Diese Selbstentwürfe spiegeln auch den gesellschaftspolitischen Kontext, in dem die Aufnahmen entstehen und der sie durchdringt.

Letztlich sehen wir eine Vorstellung. Der Filmemacher stellt sich vor und das in zweifacher Hinsicht. Wir lernen ihn darüber kennen, wie er mit seiner Videokamera Bilder von sich schafft und an der Verfilmung seiner eigenen Lebensgeschichte arbeitet. Gleichzeitig sehen wir, wie er sich mit diesen Bildern vor eine Wirklichkeit stellt, die nur mittelbar, eben nur über die Abbildung zugänglich ist. So wird er zum Darsteller seiner eigenen Geschichte.

Wie will ich gesehen werden? Wie will ich mich selber gehen? Das sind Fragen, die in den Aufnahmen immer wieder implizit aufscheinen und über sie hinausweisen. Nicht die Wirklichkeit sondern der Wunsch diese zu verstehen und einen Platz darin zu finden bildet sich ab. Das wird besonders deutlich, wenn der Bildtransfer missglückt. Wenn also die Aufnahme nicht das vermittelt, was vermittelt werden sollte. Hier kommen Zweifel am Abgebildeten auf und das ist das Schönste überhaupt. Denn das Bild gibt sich plötzlich als Bild zu erkennen, als Konstruktion. Die Schönheit liegt darin begründet, dass es sich dabei eigentlich gar nicht um ein Scheitern handelt, sondern im Gegenteil. Bilder scheitern eigentlich immer nur da, wo sie vorgeben eine Wirklichkeit abbilden zu können. Wo sie nicht funktionieren und sich als Bild entlarven, werden sie sympathisch, weil sie ehrlich sind. Bilder können sich letztlich nur auf andere Bilder beziehen und davon versucht mein Film zu sprechen. Von der Sehnsucht der Bilder eine Wirklichkeit jenseits der Bilder zu fassen, und dass ist letztlich vielleicht auch Alfred‘s Sehnsucht: Eine Sehnsucht nach einem Leben jenseits der Bilder, die sich in seinem Videomaterial abbildet.

PRESSE
die tageszeitung von heute (15.02.2014)

Die Essenz einer Lebensgeschichte

VERWISCHTE BIOGRAFIE André Siegers Dokumentarfilm „Souvenir“ über den verschwundenen Hobby- und SPD-Politiker Alfred Diebold (Forum)
In interessanten Dokumentationen auf der Berlinale stehen Fundstücke und ihre Repräsentanz im Mittelpunkt. Der rumänische Filmemacher Corneliu Porumboiu zieht in „The Second Game“ ein Fußballspiel als politisches Zeugnis heran, während Philip Widmann in dem Perspektive-Beitrag „Szenario“ ein alter Koffer als Ausgangspunkt für seine Recherchen über eine weibliche Biografie in der Bundesrepublik der 70er Jahre dient. Die Mühen der Repräsentanz sind bei Widmann vergleichbar mit der Arbeit in einem Steinbruch: Er muss erst Chroniken und zeitgenössische Statistiken heranziehen, um den anonymen Briefen aussagekräftige Allgemeingültigkeit abgewinnen zu können.

André Siegers hat in seinem Found-Footage-Film „Souvenir“ ein anderes Problem. Ihm stehen über 400 Stunden filmische Selbstzeugnisse zur Verfügung, aus denen er so etwas wie die Essenz einer Lebensgeschichte herausarbeiten muss. Alfred Diebold – selbst erklärter Demokratie-Exporteur, Angestellter der Friedrich-Ebert-Stiftung, Amateurfilmer und Hobbypolitiker – verschwand in der Silvesternacht 2009 spurlos von einem Kreuzfahrtschiff im arktischen Meer. Sein mysteriöses Verschwinden bedeutet für Siegers jedoch keine dramatische Zuspitzung, die ihn zu einer investigativen Materialexegese beflügelt, sondern einen relativ willkürlichen Schlusspunkt. Mehr als den Werdegang Diebolds interessiert Siegers das Selbstbildnis eines Mannes, der mit geradezu obsessiver Leidenschaft sein eigenes Leben inszeniert hat.

Diebold hat dieses Leben selbst wohl als eine Art Film betrachtet. Er dokumentierte seinen Wahlkampf als schwäbischer SPD-Kandidat für das Europaparlament („Albanien in die EU!“), inspiriert von Andreas Dresens „Herr Wichmann von der CDU“, den er 2003 als Filmkritiker der Heidenheimer Zeitung gesehen hat, filmte seine Reisen als Stiftungsrepräsentant, die Urlaube mit Freundin Betti und produzierte dazwischen todernste politische Lehrfilme über Demokratie und Marktwirtschaft. In dem Konvolut an Filmmaterial entdeckte Siegers auch Interviews mit Franz Müntefering, Helmut Schmidt und dem früheren US-Verteidigungsminister Robert McNamara.

„Souvenir“ bekommt durch die Materialfülle von Diebolds Nachlass eine faszinierende biografische Unschärfe. Als filmisches Tagebuch taugt vieles nur bedingt, der Mensch Alfred Diebold tritt kaum hinter den Inszenierungen hervor. Möglicherweise ist dies auch Siegers‘ Montage geschuldet, die auf dramatische Gewichtungen verzichtet. Die Krankheit Bettis, die vor der Kamera über ihren bevorstehenden Tod spricht, wird nur beiläufig thematisiert. Siegers sucht mit „Souvenir“ nicht nach Hinweisen auf einen etwaigen Freitod Diebolds. Doch die Distanz der Aufnahmen gibt den Blick frei auf die Brüchigkeit eines Lebensentwurfs. ANDREAS BUSCHE

FESTIVALS & AWARDS
Welt-Uraufführung auf der 64. Berlinale Sektion »Forum«
dokKA Dokumentarfilmfestival Karlsruhe 2015 / Globale (Gewinner: dokKa-Preis der Globale)
Eröffnungsfilm der Dokumentarfilmwoche Hamburg
Duisburger Filmwoche
DOK.fest München