Seit Evelin die Beine amputiert wurden, lassen sich ihre Freunde nicht mehr blicken. Jahrelang sitzt sie nun schon in ihrer Wohnung fest und bewegt sich nur noch zwischen Küche, Computer, Fernseher und Bett. Alte Videoaufnahmen zeigen ihr Leben als Mann vor 25 Jahren: die DDR hat aufgehört zu existieren, doch nicht alle schaffen es, sich im neuen System zurechtzufinden.

Regie: Erik Lemke
Kamera: Erik Lemke
Schnitt: Erik Lemke
Ton: Ansgar Frerich, Jonathan Ritzel
Produktion: IDFABRIK

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Sieh die ganze Geschichte zum Film beim MDR-Kurzfilmmagazin Unicato (2024).

Seit Evelin die Beine amputiert wurden, lassen sich ihre Freunde nicht mehr blicken. Jahrelang sitzt sie nun schon in ihrer Wohnung fest und bewegt sich nur noch zwischen Küche, Computer, Fernseher und Bett. Alte Videoaufnahmen zeigen ihr Leben als Mann vor 25 Jahren: die DDR hat aufgehört zu existieren, doch nicht alle schaffen es, sich im neuen System zurechtzufinden.
Der Film bietet einmalige Einblicke in die Welt der Menschen, die oft pauschal als „Wendeverlierer“ bezeichnet werden.

CAST
Evelin Broszeit

CREW
Regie: Erik Lemke
Kamera: Erik Lemke
Schnitt: Erik Lemke
Ton: Jonathan Ritzel
Tonmischung: Ansgar Frerich
Farbkorrektur und Titelgestaltung: Tawan Arun
Plakatgestaltung: Cécile Echard
Produktion: IDFABRIK

Erik Lemke wurde 1983 in Dresden geboren. Er studierte von 2004 bis 2007 an der Staatlichen Universität für Film und Fernsehen in St. Petersburg bei Dmitri Sidorow Dokumentarfilmregie. Seinen Master legte er 2008 an der École Supérieure d’Audiovisuel in Toulouse ab. Nach einer Anstellung als Trickfilmanimator bei Balance Film in Dresden lebt er seit 2010 als selbständiger Editor und Filmemacher in Berlin.
Neben Tätigkeiten als Editor u.a. bei der Web-Dokumentation “Europa: Die Ostgrenze“ (Regie: Tawan Arun/Joris Rühl, Gewinner Deutsch-Französischer Journalistenpreis 2013) und als After-Effects-Composer beim Animationsfilm „Alois Nebel“ (Tomáš Luňák, Bester Animationsfilm beim Europäischen Filmpreis 2012) arbeitet Erik Lemke an eigenen Dokumentarfilmen.
Sein auf dem DOK Leipzig 2016 uraufgeführter Dokumentarfilm „Mich vermisst keiner!” gewann mehrere Filmpreise. „Berlin Excelsior”, Erik Lemkes Regiedebüt bei einem dokumentarischen Langfilm, kam 2018 in die deutschen Kinos und wurde von der deutschen Film- und Medienbewertung mit dem Prädikat „Besonders wertvoll“ ausgezeichnet. Im Januar 2022 startete sein zweiter dokumentarischer Langfilm “Homöopathie unwiderlegt?”.

Ohne den konkreten Plan, einen Porträtfilm über meine Großtante zu machen, lief die Kamera während unserer Treffen einfach mit. Viel zu spät haben Evi und ich uns kennengelernt. Ich hatte das Gefühl, viel nachholen zu müssen.
Es gibt Menschen, die im Alltag eher unscheinbar daherkommen, auf der Leinwand aber eine erstaunliche Wirkung entfalten. Evi gehört dazu. ‚In Rhetorik war ich früher immer gut.‘, sagt sie im Film. Sie ist es auch heute noch. Wer sich von den von Evi angesprochenen Themen Einsamkeit, körperliche Behinderung, Suchtproblematik und dem Gefühl im falschen Körper zu stecken nicht überwältigen lässt, wird sie als humorvollen, abgeklärten Menschen erleben.
Trotzdem jedes dieser Themen den Schwerpunkt von ‚Mich vermisst keiner!‘ bilden könnte, war der Schlüsselmoment, in dem ich begriff, welcher Film gerade entsteht, für mich ein anderer: vor laufender Kamera outet sich Evi ebenfalls als Chronistin des eigenen Lebens und zaubert eine 25 Jahre alte VHS-Kassette hervor. Während andere Amateurfilmer vor allem die Höhepunkte im Leben festhalten, dokumentierte Evi Alltägliches. Die Zustände im sich auflösenden Robotron-Betrieb Radeberg und die feucht-fröhlichen Nachmittage im Hinterhof mit den Nachbarn bieten seltene Einblicke ins Leben der unmittelbaren Nachwendezeit.
Zusammen mit ihrer Perspektive aus dem Abstand eines Vierteljahrhunderts ergibt sich eine aufschlussreiche Langzeitbeobachtung mit Evi als Vertreterin eines Teils der Bevölkerung, der den Systemwechsel nach dem Ende der DDR als harten Bruch erleben musste. ‚Jeder kocht sein eigenes Süppchen.‘ – so bringt Evi die von ihr wahrgenommene Abkehr des Individuums von der Gemeinschaft im Kapitalismus auf den Punkt. Die Entwicklung vom kollektiven Teilhaben am Leben der Freunde und Kollegen untereinander hin zur Abkapselung von allem vollzieht sich schmerzhaft über die Auflösung bestehender sozialer Strukturen bis hin zur schrittweisen Amputation ganzer Gliedmaßen und findet seinen Abschluss in einem Lebensgefühl, welches – von Evi wiederum in wenigen Worten zusammengefasst – schließlich titelgebend für den Film wurde.

PRESSE

(…) Evi wirkt auf der einen Seite einsam, verschroben und verbittert, auf der anderen Seite hat sie sich einen außergewöhnlichen Humor und eine sehr liebenswerte Art bewahrt.
Produzent Erik Lemke stellt eine besondere Nähe zur leicht kauzigen Protagonistin her, indem er direkt mit ihr spricht, ohne dass man je sein Gesicht sieht. So fühlen sich die Zuschauer, als würden sie selbst mit Evi auf der Couch sitzen, reden und gemeinsam die alten VHS-Bänder ansehen. Auf den Videokassetten ist ihr altes Leben in der DDR festgehalten: Evi, damals noch als Mann, beim Federballspielen, Evi bei der Arbeit im Montagewerk für Schwarz-Weiß-Fernseher, Evi im Kreise ihrer Familie und Freunde. Von alldem ist nichts geblieben außer schmerzhafter Erinnerungen.
Evi spricht in langen Monologen, manchmal über mehrere Minuten. Sie wird dann aber sehr wortkarg, wenn der Filmemacher versucht, mit ihr über Dinge zu sprechen, über die sie nicht reden möchte, aber reden muss.
Ein wunderschöner, sehenswerter Film, der auf bewegende Weise zeigt, wie es ist, wenn keiner einen mehr vermisst.
Susanne Löffelmacher: Kreutzer

(…) Die Herzen des Publikums und deren Preis gehörten jedoch „Mich vermisst keiner!“ (Regie: Erik Lemke). Voller Tragik erzählt der Film von Evelin, die, seitdem ihre Beine amputiert wurden, ein Leben in völliger Einsamkeit fristet. Von Freunden und Familie verlassen, hängt sie in ihrer Wohnung fest und nur der Fernseher vermag ihr eine Illusion von Gesellschaft zu geben. Rückblenden erzählen von ihrem alten Leben als Mann in der DDR, bevor sie sich einer Geschlechtsoperation unterzog. Dabei verfällt der Film nie in erzwungene Sentimentalität, sondern schmerzt schon fast durch seine trockene Nüchternheit. (…)
Tim Paul Büttner: luhze – Leipziger unabhängige Hochschulzeitung

(…) Lange stehende Einstellungen und seltene Zwischenschnitte vermitteln auf sehr sensible Weise eine Nähe zu einem vereinsamten Menschen. Eine VHS-Cassette mit Aufnahmen der Vergangenheit wird gemeinsam gesichtet und weckt bei Evi schmerzliche Erinnerungen.
Auf subtile und intensive Weise beschäftigt sich der Film so mit Transgenderidentität und Altern, Krankheit und Verfall. Der berührende Film beweist einen respektvollen Umgang mit der Protagonistin, bedrängt sie nicht und bewahrt so auch letztlich das Geheimnis hinter der Figur. Nicht alle Fragen aus der Vergangenheit werden geklärt. Die Inszenierung baut auf eine subtile Entfaltung der Schichten und stellt viele existenzielle Fragen. (…)
Jury-Begründung der FBW

FESTIVALS
59. Dok Leipzig 2016
29. Filmfest Dresden 2017
Imperfectu. Festival Internacional de Cine y Estudios de Género 2017, Tijuana (Mexico)
International queer film festival Merlinka 2017, Belgrad (Serbien)
Filmfestival Kurzsuechtig Leipzig 2018

AWARDS
Publikumspreis der Mitteldeutschen Filmnacht beim 29. Filmfest Dresden 2017
Publikumspreis Kategorie Dok auf dem Filmfestival Kurzsuechtig Leipzig 2018
Deutsche Film- und Medienbewertung: Prädikat „Besonders wertvoll“