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Dobropillja liegt in der Ostukraine, 70 Kilometer entfernt von der umkämpften Grenze zu den von pro-russischen Separatisten kontrollierten Gebieten.
Auf den ersten Blick scheint der Konflikt im Leben der Stadtbewohner*innen nur eine Randnotiz zu sein.
Sie gehen ihrem Alltag nach, als Zoodirektor und Museumsführerin, in Heavy-Metall-Bands oder im Club für einsame Herzen. Und doch dringt der Donner der nahen Front auch hier in das Leben der Menschen ein und legt sich wie ein Grauschleier über die Stadt. Langes Echo erzählt mit der intensiven Schilderung des Alltags in teils skurrilen Szenen vom Leben der Einwohner*innen an der Peripherie eines fast schon wieder vergessenen Krieges.
CREW
Regie: Veronika Glasunowa, Lukasz Lakomy
Buch: Veronika Glasunowa, Lukasz Lakomy
Kamera: Caroline Guimbal
Schnitt: Yana Höhnerbach
Produktion: Eva Blondiau, Elmar Imanov, Holger Buff, Jascha Viehl
Verleih: jip film & verleih
BIOGRAFIE VERONIKA GLASUNOWWA
Geboren 1981 in Leningrad, Russland | 1993 Emigration nach Deutschland | 2000-2005 Studium an der Universität zu Köln, Fachrichtung Germanistik | 2005-2010 Studium an der Sankt-Petersburger Staatlichen Hochschule für Darstellende Künste, Diplom in der Kategorie “Dokumentarfilmregie” |
2013-2017 Arbeit am Debütfilm “Langes Echo”, Drehbuch und Regie, Premiere des Films bei Visions du Reel 2017 |
Mitarbeit bei zahlreichen Studentenfilmen als Regisseurin, Schauspielerin |
2008 Regisseurin von Massenszenen beim Spielfilm „Dau“ von Ilya Hrzhanovski am Lenfilm in St. Petersburg | 2004-2005 Regieassistentin beim Sender WDR | 2001-2004 Schauspielerin beim Theaterprojekt „Solana-Theater“ in Köln |2015-2020 Flüchtlingsarbeit in Berlin, u.a. für psychologische Beratungsstellen für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt.
BIOGRAFIE LUKASZ LAKOMY
Geboren 1791 in Krakau, Polen| 1993 Emigration nach Deutschland | 2000 Abitur am 2000 Albertus-Magnus-Gymnasium in Köln | 2000-2001 Ausbildungsprogramm der Studiobühne Köln in Bereichen Schauspiel | 2000-2005 Studium an der Universität zu Köln, Fachrichtung Philologie | 2005-2010 Studium an der Sankt-Petersburger Staatlichen Hochschule für Theaterkunst (SPbGATI), Fachrichtung Dokumentarfilmregie | 2000-2002 Mitarbeit an der Studiobühne Köln in Bereichen Lichttechnik, Bühnenbild und im Studiobühne Filmclub | 2001-2003 Regieassistenz am Theater im Hof Köln.
STATEMENT DES REGISSEURIN VERONIKA GLASUNOWA
Mir und meinem Co-Autor Lukasz Lakomy war es wichtig, die Hintergründe und den Nährboden für diesen Krieg aufzuspüren. Vor allem interessierte uns das sowjetische Erbe, der Nachhall, das lange Echo des sowjetischen Denkens, das die Menschen scheinbar nicht so leicht aus seinen Fängen entlässt. Wie Frank, der Taxifahrer aus Tansania, ein wichtiger Beobachter des Geschehens von außen, im Film formulierte: „Die Menschen sind es gewohnt, dass andere für sie denken. Lass Moskau für uns denken!“ So in etwa lässt sich der Infantilismus des Sowjetmenschen beschreiben. Während der langen Zeit unter der sowjetischen Herrschaft ihres Wirkungsraums beraubt und bevormundet, haben viele Menschen auch nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion nicht gelernt, ihr Schicksal und die Neugestaltung einer bürgerlichen Gesellschaft in die eigene Hand zu nehmen. Als Folge dessen flüchteten die Menschen in imaginäre Welten, in eine innere Emigration. Viele suchten verzweifelt nach etwas oder jemanden, der den allmächtigen Staat ersetzen könnte, zum Beispiel neue Religionen oder Heilmittel aller Art. Wie ergeht es der Jugend, die auf diesem Scherbenhaufen aufwächst? Der Generationenkonflikt ist ein wichtiger Bestandteil des aktuellen Diskurses in der Ukraine.
Bei unseren Protagonisten*innen hat uns sofort ihre Verbundenheit und Liebe für ihren Heimatort Dobropillja fasziniert, aber auch irritiert. Als entwurzelte Migrantenkinder können wir diese Verbundenheit schwer nachvollziehen. Auch haben wir uns gefragt, wie überlebt man in einer Atmosphäre völliger Ohnmacht und wie wichtig werden dann Vorstellungskraft und Glaube? Ist es eine Art Überlebensstrategie von Menschen in Krisengebieten, ungewöhnlichen Tätigkeiten nachzugehen?
Filmische Umsetzung:
Kurz vor unseren Dreharbeiten wurde die Stadt zeitweise von Separatisten eingenommen und wieder zurückerkämpft. Wir sind daher in einem kleinen Team unterwegs gewesen. Es gab daher viele Aspekte der Sicherheit für die Produktion zu bedenken und zu beachten. Kurz vor den Dreharbeiten ist unser Kameramann aufgrund der damaligen Sicherheitslage abgesprungen, die Kamerafrau Caroline Guimbal hat seinen Platz übernommen. In der Kameraarbeit war es uns wichtig authentisch zu dokumentieren und den Protagonist*innen ihren Raum im Bild zu lassen. Das führte zu tablauartigen Bildern, die ohne eine Inszenierung zu sein, eine Anmutung davon haben und in gewisser Weise auch die Entrücktheit der Menschen ausdrücken. Wir haben uns von der Umgebung und Atmosphäre in Dobropillja inspirieren lassen. Über dem Ort liegt ein Schleier von Staub, wie es einige Bergarbeiterstädte haben, dies spiegelt sich in den Bildern und der Farbgebung des Filmes wider, unabhängig von den Jahreszeiten ist es eine gleichbleibende visuelle Komponente, ein Gefühl, dass wir in den Bildern aufgesaugt haben, ohne es künstlich in der Farb- und Bildbearbeitung herzustellen.
PRESSE
INTERVIEW MIT VERONIKA GLASUNOWA
Wie seid ihr drauf gekommen einen Dokumentarfilm in Dobropillja zu drehen?
Ich bin damals aus persönlichen Gründen nach Kiew gezogen, die Ukraine kannte ich bis dahin nur als Touristin. Mein Co-Autor Lukasz Lakomy und ich haben fast das ganze Land bereist und schnell begriffen, dass wir einen Film über dieses wunderschöne und zerrissene Land machen wollen, über das Erbe, das die Sowjetzeit hier hinterlassen hat. Dobropillja nahm uns sofort gefangen. Dort herrschte eine eigenartige Atmosphäre, die schwer in Worten zu beschreiben ist. In den 70ern und 80ern war Dobropillja die Vorzeigestadt der sowjetischen Kohleindustrie, die „Perle von Donbass“. Seit dem Zerfall der Sowjetunion sind mittlerweile fast dreißig Jahre vergangen und die Stadt ist zur „ehemaligen Perle von Donbass“ geworden, ein maroder Ort, an dem sich der Glanz der vergangenen Tage nur noch erahnen lässt und die Zerstörung durch kriegerische Handlungen zu sehen ist. Aus den umjubelten und geachteten Zechenarbeiter, die den Stolz eines ganzen Imperiums ausmachten, sind Männer geworden, die ihre Familie gerade so durchbringen können. Für die Jugend gibt es kaum Perspektive.
Welche Herausforderungen habt ihr beim Drehen erlebt?
Die Herausforderungen waren sehr groß. Wir hatten große Angst vor den Raketenwerfern. Deren Reichweite beträgt ca. 90 km, während wir nur 70 km von der Frontlinie entfernt waren. Bei unserem ersten dreiwöchigem Drehblock in Februar, war die Außentemperatur -18 ℃ und es gab weder Heizung noch Wasser, da die Wasserleitungen zerbombt waren. Unsere Protagonisten, die wir noch in „Friedenszeiten“ kennengelernt haben, waren total verändert. Sie hatten Angst. Angst vor Raketenwerfern, Angst vor dem Morgen. Angst vor der ständig vorrückenden Frontlinie. Außerdem hatten sie Angst zu sprechen. Sie kannten uns zwar seit einigen Jahren und haben uns vertraut, aber diese Kriegssituation, in der sie nicht wussten, wessen Fahne morgen auf dem Rathaus hängt, verunsicherte die Menschen extrem. Sie wussten nicht, wie viel sie erzählen können.
Hat sich seit der Fertigstellung des Filmes etwas in der Ostukraine verändert?
Ja, speziell in Dobropillja schon. Die Menschen sind nicht mehr so verängstigt, da die Frontlinien sich seit einiger Zeit nicht mehr verschieben. Es ist eine Art „normaler Alltag“ eingekehrt. Es fließt wieder Wasser und auch die Heizung funktioniert. Der Konflikt dauert aber immer noch an und es gibt keine Hoffnung auf ein baldiges Ende. Es sterben immer noch Menschen nicht weit von Dobropillja entfernt. Die Zukunftsaussichten sind nach wie vor sehr ungewiss und die Stimmung ist vielleicht weniger depressiv, aber noch sehr gedrückt, die Menschen sind traumatisiert vom Geschehen und können immer noch nicht aufatmen.
Warum ist der Film Langes Echo relevant?
Weil man dadurch etwas über einen fast vergessen Krieg erfährt und die Menschen dort kennenlernt. Man erfährt, wie es Menschen noch Jahre nach dem Sowjetischen Zusammenbruch ergeht, wie schwer es ist aus einem alten in ein neues System zu wechseln. Und wie Menschen damit umgehen, auf einmal in einem Kriegsgebiet zu leben.
FESTIVALS & AWARDS
Visions du réel 2017 – Internationale Premiere
Filmfest Hamburg 2017 (Nominierungen in den Kategorien „Politischer Film Preis“ and „Sichtwechsel Filmpreis“)
Artdocfest Moscow 2017
Astrafilmfest Sibiu 2017
Guanghzhou International Film Festival 2017
KharkivMeetDocs, Ukraine 2017
Festival of Film and Urbanism «86», Ukraine 2018
Kommentar des Festivals Vision du réel:
„Dobropillja ist eine Stadt in der Ostukraine. 70 km von der Grenze entfernt, wo die von den abtrünnigen Republiken ausgehenden Spannungen die Menschen beständig fürchten lassen, dass der Krieg nie weit ist. Die ungewisse Zukunft bestärkt die Menschen darin, an ihren täglichen Gewohnheiten festzuhalten und zu versuchen, sich mit der instabilen politischen Landschaft zu arrangieren. Unterschiedlichste Persönlichkeiten versuchen so gut es geht, mit dem Elend in ihrer Stadt zurecht zu kommen. Eine Death Metall Band probt weiterhin täglich. Ein Lehrer führt die Besucher durch die Geschichte der Stadt. Die wunderbare Wirkung eines vibrierenden Sessels wird als Mittel gegen Stress und Angstzustände getestet. Eine ältere Dame, die ihren Sohn verlor, versucht, ihren Mitbürgern ins Gewissen zu reden und sie davon zu überzeugen, den Frieden zu akzeptieren. Veronika Glasunowa und Lukasz Lakomy zeigen die Menschen und die Umgebung ihres Films in präzisen gewählten Einstellungen. Der Film verzichtet auf ideologische oder politische Aussagen. Die genaue filmische Beobachtung offenbart die Würde und Resilienz von Menschen, die mit dem Alptraum eines nie endenden Konflikts konfrontiert sind.“
Giona A. Nazzaro, Visions du reel